rinnen
Das Draußen bezeichnet das Dasein
der Toten im Gegensatz zum Drinnen, drinnen am wärmenden
Hüttenfeuer, wo die Lebenden sitzen. So heißt es: Die Toten schauen von draußen
neidisch herein. Sie neiden uns den von Öl und Fett glänzenden
Schein des geschmeidigen Körpers. Sie neiden uns das durch wippenden Federschmuck,
glänzenden Muschelbehang und rauschendes Gesäßdecklaub beschwingte Lebensgefühl.
Nur wir, die Lebenden, erfreuen uns noch der Frauen, der Wertsachen und Schweine.
Nur wir feiern richtige Feste und vollbringen Wesenhaftes. Das Dasein der Toten
ist ein Schemen. Daher drängendes Verlangen nach langem Leben und die Überzeugung
vom Neid der Toten. Der Tote lebt nicht mehr in der Sonne, sondern draußen in
der Nacht. Er ist auf Fürsorge seiner Hinterbliebenen angewiesen, wie er es
schon in seiner Krankheit war. Wenn die Hinterbliebenen den Toten kein Geister-Wohnhaus
bauen, so müssen sie draußen frieren, sind Wind und Regen ausgesetzt. Bringen
die Lebenden den Toten keine Opfer dar, so haben sie nur ganz schlechte Nahrung
und müssen ein kümmerliches Dasein fristen.
Eindrücklich ist das Bild der Gestalt von Toten. Sie reißen den Mund auf,
strecken die Zunge weit heraus, fassen ihre Ohrläppchen und ziehen sie weit
ab, sperren die Augen auf und schauen uns unheimlich an. Ihr Blick ist flackernd,
die Augenlider flimmern. Sie heben die Hände in Augenhöhe und halten die Finger
wie zum Greifen gekrümmt. Sie wollen uns mit sich fortholen. -
Hans-Jürg Braun, Das Jenseits. Die Vorstellungen der Menschheit über
das Leben nach dem Tod. Frankfurt am Main 2000 (it 2516, zuerst 1996)
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