Dreiklang    Baubo hatte drei Söhne zur Welt gebracht; ein vierter, Iakchos, war nicht der ihre, wiewohl er sich dann in ihr aufhielt. - Sie erkannte die Fremde sofort, da die eintrat: Demeter, die Kornmutter, die Große Göttin, deren Tau alles Blühen hervorbringt, alles Reifen und Knospen und jegliche Frucht, - Sie konnte niemand anders sein. - Sie erschien als Alte, gekrümmt und wankend; der Palast erbebte, da sie nahte, und doch knickte ihr Tritt keinen Grashalm um. Auf der Schwelle wuchs sie bis zum Balken der Hochtür, oder das Haus wurde klein vor ihr mit allen, die sich darin bargen; sie füllte sein Dunkel mit ihrem Dasein, und das Leuchten ihre Leibes erhellte den Saal.

Die Königin sprang von ihrem erzenen Sitz auf, ihn der Fremden einzuräumen, die aber blieb stehen und winkte ab. Sie erhob dazu nicht die Hand, ein Zusammenziehn ihrer Brauen, ihr Glutgesicht ging in Verdüsterung über, und dunkle Zeichen um Auge und Mund. - König Keleos sah sie als Verwirrter; er begriff weniger als sein Weib, wes Ranges die war, die auf seiner Schwelle ragte, allein er begriff, sie war eine der Ändern, und er sah ihr Antlitz verfinstert: Hatte sein Haus, hatte sein Reich sie erzürnt? Auch er erhob sich, voll Grauen vor der Fremden, die immer noch über der Schwelle stand. - Schließlich rannte Baubo um einen Schemel aus Eichenholz; sie legte ein Widdervlies darüber, weißschimmerndes Haar; Demeter nahm Platz. Eine lange Weile saß sie schweigend, und die im Saal wagten nicht, sich zu rühren; sie standen mit gesenkten Köpfen und atmeten ohne einen Hauch.

Baubo wußte es sofort, wiewohl sie vom Sachverhalt gar nichts wußte. - Später stückelte sie ihn sich zusammen. -Sie hatte den gräßlichen Dreiklang gehört: den Aufschrei der Tochter, das Wehbrüllen der Mutter, und den dritten, furchtbarsten, den lautlosen Anruf, der gebietet, Gesicht und Gehör zu verhüllen, da einer der Hohen sein Werk betreibt, das, wenn sie es sähen oder hörten, Zeugen eine Untat nennten, allein da sie jenen Anruf vernehmen, sehen sie's nicht und hören sie's nicht und vergessen, falls sie gesehn und gehört; das mindeste ist, daß sie davon schweigen. - Hekate war Zeugin gewesen und schwieg, und andre ihresgleichen waren Zeugen und schwiegen: verängstigte Nymphen in Bach und Baum. - Ein Schweinehirt, Eubuleos, verfiel fast dem Wahnsinn, da er Zeuge geworden war» - Nur Helios hatte es so gesehen, wie er auch sonst das Geschehende sieht: unbeteiligt am Treiben tief drunten dies Treiben in sein Gedächtnis prägend und so lange darüber nicht schwatzend, bis daß man sein Wort als Zeugnis begehrt.

Ohne Augenzeugin gewesen zu sein, wußte Baubo von Anfang an, was geschehn war: Ein Mädchen schreit nur so im schrillsten Entsetzen, da es begreift, daß der Tod es hinabreißt, und eine Mutter verfällt nur in solches Brüllen, da sie ihr Kind verloren weiß. - Demeters Tochter, ihr Einziges, hieß Kore, das vom Kind zur Jungfrau erblühende Mädchen, und Baubo sah Demeter als Kore, oder besser: Kore in Demeter, und da begann die Hohe zu weinen.  -  Franz Fühmann, Baubo. Nach (fue)

Drei Klang

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