rachentöter   Der Held wundert sich, was ist denn mit seinem guten alten Medusenhaupt los? Und wenn im Grunde auch sein Helm ihn unsichtbar macht, so geschieht es doch nicht ohne Furcht, als er nun riskiert, das Gesicht der Gorgo zu  betrachten, um sich zu vergewissern, was dort geschehen ist. Es ist ganz einfach; der Zauber der Versteinerung hat nicht gewirkt, weil die Gorgo die Augen geschlossen hat. Wütend hängt Perseus das Haupt an seinen Platz zurück, schwingt sein Schwert mit siegessicherem Lachen und, während er Minervas göttlichen Schild fest auf sein Herz drückt, gibt er die Sporen (oh! indes sich gerade dort unten der Vollmond über dem wunderbaren atlantischen Spiegel erhebt!) und stürzt auf den Drachen los, auf die arme, flügellose Masse. Mit blendenden Sprüngen kreist er ihn ein, er sticht ihm in die linke, er sticht ihm in die rechte Seite und treibt ihn schließlich in die Enge einer Vertiefung, wo er ihm so wundervoll das Schwert mitten in die Stirn hineinstößt, daß der arme Drache zusammensinkt und verendend nur noch die Zeit hat zu röcheln:

— Leb wohl, edle Andromeda; ich habe dich geliebt, und auch in Zukunft würde ich dich geliebt haben, wenn du nur gewollt hättest; leb wohl, du wirst noch oft daran denken. Das Ungeheuer ist tot.

Doch Perseus ist trotz der Unfehlbarkeit seines Sieges zu sehr erregt, er muß sich auf den Dahingeschiedenen stürzen! und er spickt ihn mit Hieben! und er sticht ihm die Augen aus! und massakriert ihn, bis Andromeda ihn zurückhält.

— Genug, genug; Ihr seht doch, daß er tot ist. Perseus macht sein Schwert wieder am Wehrgehänge fest, bringt die blonden Locken seines Schopfes in Ordnung, schluckt eine Pastille und steigt von seinem Reittier herab, dem er den Hals tätschelt:

— Und jetzt zu uns, meine Allerschönste! so sagt er mit süßlicher Stimme. - Jules Laforgue, Hamlet oder Die Folgen der Sohnestreue und andere legendenhafte Moralitäten. Frankfurt am Main 1981 (BS 733, zuerst 1887)

Drachentöter  (2)  Es war einmal ein Zigeuner, der hatte zwei Hunde, der eine hieß Tschokani und der andere Mokani. Der Zigeuner ging herum auf den Dörfern und machte Bohrer und verdiente sich so viel Geld, als er zum Leben brauchte. Als er einmal durch einen Wald ging, begegnete ihm ein Drache. Der sagte zu dem Zigeuner: »Wer hat dich hierher geführt, du schmutziger Zigeuner?« Der Zigeuner sagte, der Teufel habe ihn hergeführt, und fügte hinzu: »Du bist ja noch schmutziger als ich!« Dann rief der Zigeuner seinen Hunden, nahm einen Stein, der war so scharf wie ein Messer, und warf ihn auf den Drachen, so daß dessen Kinn herunterfiel. Nun rief er seinen Hunden zu: »Faß an, Tschokani, friß ihn, Mokani!« Er selbst aber lief davon, und als der Drache hinter ihm her fliegen wollte, da blieb er im Baum hängen, und sein Rückgrat brach, und er konnte nicht mehr fliegen und starb. Da lief der Zigeuner in die Stadt und erzählte, er habe den Drachen getötet, und die Leute fuhren auf Wagen hinaus und sahen, daß der Drache tot war, und nahmen ihn und brachten ihn in die Stadt, spalteten seinen Schädel und nahmen den Diamantstein heraus. Nun fragten sie den Zigeuner, was er fordere, und er sagte: »Gebt mir, was ihr wollt!« Da gaben sie ihm drei Städte. - (zig)

Drachentöter  (3)

- Saul Steinberg

Drachentöter  (4) Der chinesische Drache hat Hörner, Klauen und Schuppen, und sein Rückgrat starrt von Stacheln. Er wird üblicherweise mit einer Perle dargestellt, die er zu schlucken oder auszuspucken pflegt; in dieser Perle liegt seine Macht. Nimmt man sie ihm, so Ist er unschädlich.

Tschuang-tse erzählt von einem hartnäckigen Mann, der nach drei beschwerlichen Jahren die Kunst gemeistert hatte, Drachen zu töten, und der danach sein Leben lang keine einzige Gelegenheit fand, sein Können anzuwenden.  - (bo)

Drachentöter  (5)  In jener Nacht zur Stunde der Ratte träumte der Kaiser, er sei aus seinem Palast getreten und unter den blühenden Bäumen durch den Garten gewandert. Etwas kniete ihm zu Füßen nieder und bat ihn um Schutz. Der Kaiser gewährte ihm Ge­hör; der Bittsteller sagte, er sei ein Drachen, und die Sterne hätten ihm offenbart, am nächsten Tag vor Einbruch der Nacht werde Wei Cheng, Minister des Kaisers, ihm den Kopf ab­hacken. Im Traum schwor der Kaiser, ihn zu beschützen.

Beim Erwachen fragte der Kaiser nach Wei Cheng. Man sagte ihm, er sei nicht im Palast; der Kaiser ließ ihn suchen und den ganzen Tag beschäftigen, damit er nicht den Drachen töte; gegen Abend schlug er ihm eine Partie Schach vor. Das Spiel zog sich in die Länge, der Minister war müde und schlief ein.

Donnergetöse erschütterte die Erde. Bald darauf stürzten zwei Hauptleute herein, die einen riesigen, blutbeschmierten Drachenkopf brachten. Sie warfen ihn dem Kaiser vor die Füße und schrien: »Er ist vom Himmel gefallen.«

Wei Cheng, der erwacht war, blickte ihn verblüfft an und bemerkte:

»Seltsam, ich träumte, ich hätte solch einen Drachen getötet.«  - Wu Gheng-en (etwa 1505-1580), Die Reise nach dem Westen. Nach (boc)

Drachentöter  (6)  Was nähert sich dort und bewegt sich auf Maldoror zu? Wie groß er ist, der Drache... größer als eine Eiche! Es sieht aus, als hätten seine weißlichen, durch starke Gelenke verbundenen Flügel Nerven aus Stahl, so leicht zerteilen sie die Luft. Sein Oberkörper ist der eines Tigers und endet mit einem langen Schlangenschwanz. Ich war nicht gewohnt, solche Dinge zu sehen. Was hat er nur auf der Stirn? Ich sehe dort ein Wort in symbolischer Sprache geschrieben, das ich nicht entziffern kann. Mit einem letzten Flügelschlag hat er jenen erreicht, dessen Stimme ich an ihrem Klang erkenne. Er spricht zu ihm: <Ich wartete auf dich und du auf mich. Die Stunde ist gekommen; hier bin ich. Lies meinen Namen, der in hieroglyphischen Zeichen auf meiner Stirn geschrieben steht.> Er aber, kaum sah er den Feind nahen, hat sich in einen ungeheuren Adler verwandelt und rüstet sich zum Kampf, während er seinen krummen Schnabel befriedigt klappern laßt, womit er sagen will, daß er es ganz allein übernimmt, das Hinterteil des Drachen zu fressen. Da, jetzt ziehen sie Kreise, deren Konzentrizität sich verringert und belauern, bevor sie den Kampf beginnen, ihre gegenseitigen Fähigkeiten; sie tun gut daran. Mir scheint der Drache der stärkere; ich wünschte, er trüge den Sieg über den Adler davon. Dieses Schauspiel, an dem ein Teil meines Wesens beteiligt ist, wird mich sehr ergreifen. Mächtiger Drache, ich werde dich, falls nötig, mit meinen Zurufen anfeuern; denn es ist im Interesse des Adlers, besiegt zu werden. Worauf warten sie noch, um anzugreifen? Ich schwebe in Todesängsten. Los, Drache, greife du als erster an. Du hast ihm einen kurzen Schlag mit der Kralle versetzt: gar nicht schlecht. Sei versichert, der Adler hat ihn gespürt; der Wind trägt die Schönheit seiner blutbedeckten Federn hinweg. Ach! der Adler hackt dir mit seinem Schnabel ein Auge aus, und du, du hattest ihm nur die Haut abgerissen; du hättest besser aufpassen sollen. Bravo, räche dich, und schlage ihm einen Flügel entzwei; es läßt sich nicht leugnen, deine Tigerzähne sind sehr gut. Könntest du dich doch dem Adler nähern, während er durch den Raum wirbelnd hinunterschießt auf das Feld! Ich merke es, dieser Adler flößt dir, selbst wenn er stürzt, noch Scheu ein. Er liegt auf dem Boden, er wird sich nicht mehr erheben. Der Anblick all dieser klaffenden Wunden berauscht mich. Fliege so niedrig, daß du die Erde rings um ihn streifst, und mit den Schlägen deines schuppigen Schlangenschwanzes gib ihm den Gnadenstoß, wenn du kannst. Mut, schöner Drache; schlage ihm deine starken Krallen ins Fleisch, damit das Blut sich dem Blut vermenge, um Bäche zu bilden, in denen kein Wasser fließt. Leicht gesagt, aber nicht getan. Der Adler hat einen neuen strategischen Plan zur Verteidigung ersonnen, zu dem ihm die unglücklichen Wechselfälle dieses denkwürdigen Kampfes Gelegenheit gaben; er ist vorsichtig. In unerschütterlicher Stellung sitzt er fest auf dem übriggebliebenen Flügel, auf beiden Schenkeln und auf seinem Schwanz, der ihm bisher als Steuer diente. Er nimmt es mit noch ungewöhnlicheren Wagestücken auf als solchen, die ihm bisher geboten wurden. Bald dreht er sich schnell wie der Tiger, ohne daß man ihm Ermüdung anmerkt; bald legt er sich auf den Rücken, die beiden starken Klauen in die Luft gestreckt und betrachtet kaltblütig und höhnisch seinen Gegner. Schließlich muß ich wissen, wer Sieger sein wird; der Kampf kann nicht ewig währen. Ich denke an die Folgen, die daraus entstehen werden! Der Adler ist furchtbar und macht ungeheure, die Erde erschütternde Sprünge, als ob er sich aufschwingen wollte; er weiß jedoch, daß es ihm unmöglich ist. Der Drache traut ihm nicht; jeden Augenblick erwartet er einen Angriff des Adlers von der Seite, wo ihm das Auge fehlt... Ich Unglücklicher! Das ist es, was geschieht. Wie konnte der Drache sich an der Brust pak-ken lassen? Welche List und welche Gewalt er auch anwenden mag; ich sehe, daß der Adler, der sich mit allen seinen Gliedern wie ein Blutegel an ihm festgesaugt hat, trotz neuer Wunden, die er empfängt, seinen Schnabel tiefer und tiefer in den Leib des Drachen, bis zum Halsansatz hineinstößt. Man sieht nur seinen Leib. Er scheint sich behaglich zu fühlen; er hat es nicht eilig, herauszukommen. Zweifellos sucht er etwas, während der Drache mit dem Tigerhaupt ein Gebrüll ausstößt, das die Wälder erweckt. Jetzt verläßt der Adler diese Höhle. Adler, wie furchtbar bist du! Du bist röter als ein Pfuhl von Blut! Zwar hältst du in deinem nervösen Schnabel ein zuckendes Herz, aber du bist von so vielen Wunden bedeckt, daß du dich kaum auf deinen gefiederten Beinen halten kannst; und du taumelst, ohne den Schnabel zu öffnen, neben dem Drachen, der in furchtbarer Todesqual stirbt. Der Sieg war schwer; was tut's, du hast ihn errungen: sagen wir wenigstens die Wahrheit. Du handelst nach den Regeln der Vernunft, du entäußerst dich der Gestalt des Adlers, wahrend du dich von dem Leichnam des Drachen entfernst. Du also, Mal-doror, bist Sieger geworden! Du also, Maldoror, hast die HOFFNUNG besiegt! Von jetzt an wird die Verzweiflung sich von deiner reinsten Substanz nähren.  - (mal)
 
 

Drachenleben Held

 

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