Dorfkirmes  An diesem Feste wurde auf den Dörfern des Waldes maßlos gefressen und gesoffen; schon Wochen vorher wurden Berge von Kuchen gebacken, neuer Wein abgezogen, überhaupt alle erdenklichen Vorbereitungen getroffen, um an diesem Tage ja recht ausgiebig schlampampen zu können. Der Hauptclou des Tages war überall der warme Zwiebelkuchen und der neue Wein; da diesen guten Dingen reichlich zugesprochen wurde, kann man sich die Wirkung auf die Verdauungsorgane ungefähr vorstellen. Noch halb besoffen kamen die jungen Burschen und Mädchen am »Kürbemontig« (Montag) in den Zug. Ein säuerlicher Geruch vermischt mit dem beizenden Rauch von schlechten Zigaretten und billigem Tabak erfüllte die Abteile. Unter brüllendem Gelächter entledigte man sich seiner Leibesdünste, rülpste um die Wette, zog die Kuchenreste vom vorhergegangenen Tag aus den Rucksäcken und ließ Weinflaschen rundum gehen. Der Gestank, der durch das andauernde rücksichtslose Furzen in dem engen Raum erzeugt wurde, war fürchterlich, die Luft war dick zum schneiden. Aber wehe, wenn es etwa einem besser Gekleideten einfallen sollte, gegen diese Unflätigkeiten zu protestieren; ihm wurde aufs bösartigste mitgespielt und bis zum Verlassen des Wagens keine Ruhe mehr gelassen. Oft genug kam es an diesen Tagen vor, daß unter der Einwirkung des Alkohols während der Fahrt wüste Kräche ausbrachen; einmal war ich Zeuge, wie plötzlich auf einer kleinen Station einer mit blutüberströmtem Kopfe aus dem Wagen heraus auf den Bahnsteig flog, wo er unbeweglich liegen blieb.  - Rudolf Schlichter, Das widerspenstige Fleisch. Berlin 1991 (zuerst 1932)
 
 

Volksfest Fest, ländliches

 

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