Doppelbett  «Kennen Sie übrigens den Witz von der jungen Pfarrersköchin und der bischöflichen Untersuchung? Nein? Den muß ich Ihnen erzählen. So hören Sie wenigstens mal einen Pfarrerwitz von einem Pfarrer selbst. Also: Dem Bischof kommt zu Ohren, daß es in einem Dorf einen Pfarrer gibt, dessen Köchin nicht nur weit entfernt von dem ist, was Manzoni das kanonische Alter nennt; der Pfarrer nimmt sie auch mit ins Bett. Den Bischof läßt das natürlich nicht ruhen, er platzt dem Pfarrer ins Haus, sieht die Köchin, die jung und wirklich hübsch ist, dann das Schlafzimmer, in dem ein riesiges Doppelbett steht. Der Bischof erklärt dem Pfarrer, wessen man ihn beschuldigt. Der Pfarrer leugnet nicht. ‹Ja, Exzellenz›, sagt er, ‹es stimmt, sie schläft auf dieser Seite, und ich auf der anderen. Aber wie Sie sehen, sind in der Wand zwischen ihrer und meiner Seite Türangeln angebracht, in die hänge ich jeden Abend, ehe wir zu Bett gehen, dieses große, feste Brett ein, das dick wie eine Wand ist.› Und er zeigt ihm das Brett. Der Bischof, der über soviel Einfalt erstaunt ist, beruhigt sich. Jene mittelalterlichen Heiligen fallen ihm ein, die mit einer Frau ins Bett gingen, aber ein Kreuz oder ein Schwert dazwischenlegten. Er sagt in mildem Ton: ‹Aber, lieber Sohn, gewiß ist das Brett, da gibt es keinen Zweifel, ein guter Schutz. Aber was machst du, wenn dich die Versuchung, die wilde, rasende, teuflische Versuchung überkommt?› — ‹Ach, Exzellenz›, antwortet der Pfarrer, ‹das ist doch ganz einfach, dann nehme ich das Brett weg.›» - Leonardo Sciascia, Tote auf Bestellung. Zürich 1991

Doppelbett (2) In dem ärmlichen Zimrner stand ein Doppelbett, und darauf lag die Frau - das heißt: sie füllte es aus, von einer Seite zur anderen und von oben bis unten. Die Federn berührten den Boden. Sie war ein Berg, die Fettwülste um ihren kleinen Kopf standen hinter dem Umfang ihres Bauchs nicht zurück.

Kaum erblickte sie mich, stieß sie einen Schwall von Flüchen aus, gegen den jungen Arzt, gegen Doktor W. und überhaupt gegen jeden, der sie in diesen Zustand versetzt habe, aus dem ihr anscheinend niemand helfen könne; darauf schlief sie ein und schnarchte wie eine Wildsau.

Der junge Arzt war seit einem Tag bei ihr - er war die ganze Nacht aufgewesen, hatte weder schlafen noch essen können und das Haus nicht verlassen dürfen; dafür hatte der Mann unten gesorgt. Auf die Pistole an seiner Hüfte klopfend, hatte er ihm klargemacht, er werde das Haus erst verlassen, wenn das Baby geboren sei, und, bei Gott, sollte das Kind durch seine Ungeschicklichkeit oder Unfähigkeit sterben oder die Frau zu Schaden kommen, werde er den gleichen Weg gehen.

»Übernehmen Sie die Sache«, sagte er zu mir. »Ich kann nicht mehr.«

»Auf gar keinen Fall«, sagte ich. »Damit würden Sie doch nur Ihr Versagen eingestehen. Halten Sie durch. Bei den nächsten Wehen gebe ich ihr ein Mittel, dann sehen wir weiter.«

Und dann fing es an. Erst wurde sie unruhig, dann kreischte sie: »Jetzt geht es wieder los!«, sie schwitzte und schuftete wie ein Ochse, der einen bis zu den Achsen eingesunkenen Karren aus dem Dreck ziehen soll. Sie schrie und fluchte und kämpfte.

»So geht das schon seit gestern«, sagte er. »Furchtbar.«

»Ich werde sie mal untersuchen«, sagte ich.

»Hoffentlich weiß hier bald mal einer weiter«, brüllte sie mich an. »Los, finden Sie endlich raus, was da nicht stimmt, falls Sie nicht auch so ein Trottel sind wie der da.« Worauf sie ihre schweren Schenkel spreizte, ein Anblick wie - nun, wenn man's nicht selbst gesehen hat, ist jeder Vergleich zwecklos.

Ich tauchte rein und fand die Cervix vollständig geweitet, die Fruchtblase zerrissen; ein Kopf zeigte sich. Die Wehen waren voll in Gang, und soweit ich sah, war alles in Ordnung. Wahrscheinlich Hinterhauptslage, aber ich nahm mir nicht die Zeit, das herauszufinden, die Umstände waren /u ungünstig; das niedrige Bett., die fehlende Hilfe.

»Haben Sie ihr Pit gegeben?« fragte ich. Die Anwendung von Hypophysenpräparaten in solchen Fällen war damals gerade erst aufgekommen, und der junge Mann hatte nichts dergleichen bei sich.

»Haben Sie was mit?« fragte er.

»Ja.«

»Wollen Sie die Sache nicht übernehmen?«

»Nein. Aber ich gebe ihr eine Spritze. Ihr fehlt doch sonst nichts, oder? Wieviel wiegt sie eigentlich?«

»Dreihundert Pfund, hat man mir gesagt.«

Also gab ich ihr i ml Pit und verfügte mich dann wieder mit dem Chloroform ans Kopfende des Bettes. Der Nadelstich meiner Spritze löste eine ungeheure Wehe aus, und ehe wir irgend etwas tun konnten, lag ein Junge, von der Nabelschnur umschlungen und kreischend, als hätten wir ihn gestochen, in der Drecklache vor dem Hintern seiner Mutter - ich finde keine anderen Worte dafür.

Der junge Arzt fiel vor Erleichterung beinah in Ohnmacht, während die Frau den Kopf hob und ihrem Mann unten zuschrie: »Es ist ein Junge.«

»Wieviel wiegt er?«

»Dem Augenschein nach«, sagte ich, »mindestens acht Pfund.«

»Ist er verletzt?«

»Wieso sollte er verletzt sein? Nein«, sagte ich, »er ist ein ausgewachsener Bulle, bei den Schultern.«

»Gott sei gepriesen. Es ist vorbei.«

Ich zog die Decken zurück, um an den Fundus heranzukommen und die Plazenta herauszudrücken. »Moment mal«, sagte ich und stutzte. Die beiden sahen mich an.

»Stimmt was nicht, Doc?« fragte mein junger Gehilfe.

»Da ist noch einer!«

»Was haben Sie gesagt?« kreischte die Frau.

»Zwillinge, mindestens Zwillinge«, sagte ich. Der junge Arzt kippte fast aus den Latschen.

»Schaffen Sie das erste aus dem Weg, legen Sie's auf das andere Bett. Es geht schon los!« Und da kam der zweite, großer als der erste, ebenfalls eine Kopflage, kreischend und um sich schlagend - und fluchend, falls Sie mir glauben wollen.

»War's das?«

»Ja, das war's«, sagte ich. »Oder was dachten Sie?«

»Lassen Sie mich jetzt schlafen«, sagte sie. - (wcwa)

 

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