oktorspiel  Eines Tages spielten sie hinter dem Bahndamm. Da sprach Moses es aus:

Du und ich, Lilian, spielen jetzt Doktor.

Lilian wußte gleich Bescheid. Sie hatte es noch niemals getan und hatte noch nie davon gehört, es war ihr aber sofort klar. Sie erschrak.

Ach, sagte sie gelähmt, mit künstlicher Zuversicht.

Moses meinte absichtsvoll:

Du und ich, Lilian, wir sind doch Kinder, wir können machen, was wir wollen, eben weil wir Kinder sind, weil wir unschuldig sind.

Lilian wurde ganz steif, stand da hinter dem Bahndamm mit ihrer marienhaften Blässe und all dem Katholischen an ihr. Moses, akribisch wie er war, sagte noch einmal: Du und ich, Lilian, wir können es uns noch leisten, wo wir doch Kinder sind, zu den Bedingungen kriegen wir's nie wieder.

Lilian hatte Angst, es könnte jemand kommen. Immer störten die Erwachsenen. Kinder sollten in Einsamkeit aufwachsen, keiner sollte zu ihnen kommen, keiner von diesen Erwachsenen, die nichts mehr riskierten und von deren Katholischsein kaum etwas übrig geblieben war. Aber Lilian war noch wunderbarer katholisch, selbst beim Kuchenessen war sie es, und wenn sie, wie Moses endlich erfuhr, zwischen ihren grausam unschuldigen Beinen auch nicht nach Weihrauch roch, so war sie trotz allem katholisch: frisch, zart und erschwinglich. Sie spielten dann Doktor, spielten ausgiebig, Moses und Lilian, hinter dem Bahndamm. Später nie mehr. Moses jedenfalls nicht, weder mit Lilian noch mit irgendeinem andern Mädchen. Moses fühlte es hinterher deutlich und für immer: zu den Bedingungen kriegte er's einfach nie wieder. - Ernst Herhaus, Die homburgische Hochzeit. München 1967 (zuerst 1970, dtv sr 83)

Doktorspiel (2) Während des Abendessens hatte Sánchez über seine Pläne und sein Experiment gesprochen. Sein Vortrag war etwas unzusammenhängend gewesen, eine wilde Mischung aus psychoanalytischen Theorien, die er mal irgendwo aufgeschnappt hatte, aus eigenen Erfahrungen und gewagten Thesen. Aber die anderen hatten ihm mit ernster Miene zugehört und ihm bei allem zugestimmt. Sie verfolgten weiterhin ihre 'Wir-tun-alles-was-du-willst'-Strategie. Sie hatten ungefähr verstanden, daß es darum ging, diesem Mann dazu zu verhelfen, seinen aggressiven Trieben freien Lauf zu lassen. Sánchez' Theorie ließ sich in einem Satz zusammenfassen: 'Wenn er töten will, der arme Kerl, dann soll er's tun. Danach wird es ihm viel besser gehen.' Vermutlich sollten sie ihm freie Bahn verschaffen und ihm seine Skrupel nehmen, indem sie Doktor spielten.

Das ging in Ordnung. Solange Geld im Spiel war, ging alles in Ordnung.

Das dachten seine Gesprächspartner, und Sánchez wußte es. Und er wußte auch, daß sie einzig und allein mit Geld zu motivieren waren. Aber das mißfiel ihm nicht. Seine Macht beruhte auf seinem Geld, und er genoß es, Macht auszuüben. Und es freute ihn festzustellen, daß die anderen ihm ohne jegliche Bedingung und ohne jegliche Vernunft zustimmten. Jedesmal, wenn ihm einer dieser energischen, selbstbewußten Männer mit einem Kopfnicken zustimmte, war Sänchez überglücklich.

Plötzlich fiel ihm auf, daß ihm diese Männer ans Herz gewachsen waren. Daß er noch nie im Leben soviel Zuneigung zu jemandem empfunden hatte wie zu diesen Männern.  - Andreu Martín, Hammerschläge. Bühl-Moos u. Baden-Baden 1991

Doktorspiel (3)

- Topor

 

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