iplomat  Im Sommer 1970 erhält der deutsche Botschafter in Neu-Delhi, Günter Diehl, einen diffizilen Auftrag: Auf Wunsch des Bonner Auswärtigen Amtes (AA) soll er die geheimnisvollste Figur der deutschen Diplomatie ausfindig machen - den Ministerialdirigenten a. D. Dr. h. c. Edmund F. Dräcker.

Das ist nicht einfach, denn Indien ist recht groß.

Botschafter Diehl wird dennoch fündig. Er hört sich in Guru-Kreisen um und entdeckt den Ministerialdirigenten a. D. in einem kleinen Dorf nahe dem später in anderem Zusammenhang berühmt gewordenen Poona. Dort sitzt der mittlerweile 82-jährige Dräcker nahezu nackt in einer schmucklosen Hütte, hat Bart und Haupthaar hennarot gefärbt und gibt zwei jungen indischen Damen - „von ausgesuchter Schönheit", wie Diehl wenig später "streng vertraulich"   nach Bonn kabelt - Sanskritunterricht. Oder das, was er dafür hält.

Denn in Wahrheit geht es dem Ex-Diplomaten um die "Analyse der erotischen Gebräuche im Tantrismus", wie Botschafter Diehl nicht ohne neidischen Unterton notiert: "Er bemerkte beiläufig, er verbinde seine Vorlesungen und Studien mit praktischen Übungen."

Kein Wunder, dass der rüstige Alte die von Diehl überbrachte Offerte dankend ablehnt, einen (neu zu schaffenden) Lehrstuhl für "Indische Mythologie" an der Freien Universität in Berlin zu besetzen.

Schade eigentlich - hättte man doch den legendären  Diplomaten,  der  mit Mao den Jangtsekiang  durchschwamm und geheime Missionen im Nahen Osten und in Moskau erfüllte, gern ein Weilchen aus der Nähe beobachtet. So aber gab es auch weiterhin nur vereinzelt Berichte über den agilen Herrn, der bis ins allerhöchste Alter spektakuläre politische Verwicklungen entfachte und zu entflechten half.

Dieser Tage nun erfährt Ministerialdirigent a. D. Edmund F. (für Friedemann) Dräcker postum mit der Aufnahme in das offizielle "Biographische Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes" die ihm gebührende Würdigung. Penibel schildert der Historische Dienst des Auswärtigen Amtes den Lebenslauf Dräckers, geboren am 1. April 1888 in Suleyken (Ostpreußen), und seine Karriere vom Vizekonsul in Bombay (1911) bis zum Sonderberater der Europäischen Kommission in Brüssel für die Normierung von Seemannsgarn (nach 1985). - Hans-Ulrich Stoldt, der Spiegel 33 / 2000

 

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