iana DIE GROSSE DIANA VON EPHESOS schwarz, mit Emailleaugen, die Ellbogen an die Seiten gedrückt, die Unterarme vorgestreckt, die Hände geöffnet. Löwen rekeln sich auf ihren Schultern;
Früchte, Blumen und Sterne bekränzen ihre Brust;
darunter strotzen drei Reihen von Brüsten; sie ist
vom Bauch bis zu den Füßen in einen engen Rock gehüllt, aus dem zur Hälfte Stiere,
Hirsche, Greifen und Bienen herausragen. - Eine Silberscheibe,
die rund wie der Vollmond hinter ihrem Kopf steht, taucht sie in weißes Licht.
- (
vers
)
Diana (2) Schmöller ging mit Eugen über die gebogene Treppe in den ersten Stock hinauf, öffnete eine hohe weiße Tür; unter einer gelben Lampe saßen Zahlmeister und Offiziere, von denen hatte jeder seine Frau dabei. Die Luft war schlecht.
Eugen stand still, die Herren schauten weg, und dann kam eine auf ihn zu - ja, sapperlot! Eine Große, der schwarzbraunes Haar auf beide Schultern hing und deren Kleid tief ausgeschnitten war; übrigens ein dunkles, strenges Kleid mit weitem Rock. Dazu eine hohe, rasch laufende Stimme und ein Gesicht: also ziemlich klassisch. Eine, bei der dir die Luft weg bleibt... Und als Kriegsknecht vor ihr stehen zu müssen, machte ihn unsicher.
Sie stand vor einem ovalen Spiegel, er sah sich darin und kam sich viel zu jung vor. Sie schaute her, als habe sie schon lang auf ihn gewartet, und sagte: »Herr Rapp!« Sie tat, als wäre es etwas Besonderes, daß er so hieß. Ihre hohe Stimme schwindelte ihm etwas vor; das Gesicht mit dunkeln Augen schaute unbewegt herüber und stellte sich mit dem Leib zur Schau, als ob diese Diana (so wurde sie genannt, obwohl sie Margret hieß) auf zweideutige Wörter warte.
Sie sagte: »Jetzt kommen auch Halbjuden ins Lager«, und wieder schaute sie so pfeilgerade her, als wolle sie ihn treffen. Unten im Schlafzimmer rechter Hand neben dem Tor sagte Schmoller »Lesen Sie aus Ihrem Roman vor«, und Eugen erschien es kühn, seine Wiener Geschichte einen Roman zu nennen; doch paßte es zu den großzügigen Bewegungen dieser Diana, die neben einem Schrank den nackten Arm hochstreckte und an den obern Balken des hohen weißen Türrahmens hinaufgriff. So stand sie da und sah von oben her, setzte sich neben Eugen, schob ihren Rocksaum höher und wartete dicht neben ihm. Die weiß, daß du eine Halbjüdin kennst und im elterlichen Haus des Mädchens gewohnt hast, bis sie dich geholt haben in den Krieg; und immer noch bist du dort bei der Polizei gemeldet... Und sie wollte, daß er vorlas, als ob sie ihm auflauerte und hernach wieder etwas Verletzendes oder Erschreckendes sagen würde, aber schließlich war's ja Wurst. Und er las von Erfahrungen eines jungen Mannes im entschwundenen, zu nichts zerflossenen Wien der Jahrhundertwende und merkte, daß sein Gelesenes den beiden skurril vorkam, befremdend oder kurios (das mindestens). Aber sie hörten es sich an, hier in diesem polnischen Gutshof, einem Herrenhaus mit eleganten Möbeln der zwanziger Jahre (die beiden Betten waren arg zerwühlt), während der Schreiber Hitlers Hoheitsadler (den Pleitegeier, die Reichskrähe) auf der grünen Uniform trug. Dieser Dame lag nun etwas auf der Zunge (wart' nur, bis sie's ausspuckt). Und wieder las er seine Schilderungen von Gefühlen, Lichtreflexen, die ihr doch zuwider sein, sie ärgern mußten (es lag in der Luft).
Mit Lesen aufhören; sie anschauen. Sie sagte: »So«, und erzählte von der Eisenbahnfahrt in diesen Osten: »Bei uns sind die Städte doch alle durchsichtig. Da schauen Sie nur durch Passaden. Stuttgart beispielsweise ... Ich habe dort bloß ein Gerippe aus rostigen Eisenträgern am Bahnhof gesehen. Und an den Hängen hinauf: alles löcherig, durchsichtig, wie gesagt. Man sieht ja nach den Bombenangriffen so weit. Man sieht hindurch.« Sie lachte. »Je weiter Sie nach Osten kommen, desto unverletzter ist dann alles. Eigentlich grotesk. Heut aber müßte einer das beschreiben.So, wie's ist.«
Sie schob den Unterkiefer vor. Ihre Lippen waren feucht geworden. Sie strich
sich mit der Zungenspitze immerzu über die Lippen. Also fast ein bißchen schlangenhaft,
als züngle sie, obwohl natürlich Schlange ... Schlange war sie keine, bloß eine
Verwöhnte; die hat es immer leicht gehabt und schaut von oben her. Und wieder
dachte er: ein steinernes Gesicht... Vielleicht eine Beneidenswerte, weil nichts
in ihr angerührt wird (hochmütig halt); falls alles nicht ein kalter Lack war,
den die Erziehung draufgepinselt hatte. Darunter lag vielleicht ein liebes Mädchen,
so wie viele. Eine, die angeschwärmt wurde. Sie sagte, wenn jemand snobistisch
sei, müsse man ›gegensnoben‹, und erzählte, ihr Vater (er verwaltete als General
in Frankreich eine Militärprovinz oder wie so etwas heut heißen mochte) habe
im Zug einem Neugierigen mitgeteilt, er rupfe sich alle Haare am Hintern aus
und mache draus Zahnbürsten; das sei sein Beruf. Sie wohnte auf dem Gutshof
ihres Schwiegervaters, wo nur noch polnische und russische Arbeiter waren. »Wenn
dort der Krieg ausgeht, vergewaltigen die mich. Und er« - mit dem Kopf deutete
sie jetzt auf ihren Mann - »rät mir, ich solle mir's gefallen lassen.« - Hermann Lenz, Neue
Zeit. Frankfurt am Main 1979 (st 505, zuerst 1975)
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