iagnostik  Paracelsus ist der Ansicht, ein Arzt ohne astrologische Kenntnisse sei unfähig, die Ursachen einer Krankheit oder ihre Therapie zu begreifen. Er könne weder die Schwermut noch die Gicht, ja sogar nicht einmal Zahnschmerzen richtig behandeln, wenn er nicht das Horoskop des Patienten in seine Überlegungen miteinbeziehe. Die auslösende Ursache der Melancholie liegt für ihn eher in den Sternen als in den Körpersäften, und er behauptet, daß die Konstellation allein schon oft genug diese Krankheit im Gefolge habe, wobei über weitere Einflußgrößen noch gar nichts ausgesagt sei. So nennt er etwa Fälle Verrückter, die der Mond ihres Verstandes beraubt hat, und führt an anderer Stelle alles auf den Aszendenten zurück. - (bur)

Diagnostik (2)  Dr. Desruelles wird kommen und sagen: »Es war eine Vergrößerung der Vorsteherdrüse.« Dr. Mercier wird kommen und sagen: »Es war eine Muskelklappe am Blasenhals.« Dr. Amussat wird kommen und sagen: »Es war eine Harnröhrenverengung infolge entzündlicher Schwellung der Schleimhaut.« Dr. Poncet wird kommen und sagen: »Es war eine angeborene Harnröhrenverengung.« Dr. Victor-Pauchet wird kommen und sagen: »Es war eine angeborene Prostatahypertrophie.« Dr. Lallemand sagt: »Samenfluß.« Dr. Starobinski sagt: »Jugendsünden.« Dr. Gaston Vorberg sagt: »Ein Psychopath.« Professor Laforgue ruft: »Nichts als Kastrationsangst!« Dr. Roussel beschwichtigt: »Er war ganz einfach impotent und unfruchtbar.« Rousseau selbst sagte: »Es sind Grieß und Steine, nichts als Grieß und Steine.« Und noch im Sektionsbefund wird es heißen: »Die Chirurgen haben weder in der Blase noch in den Harnleitern und der Harnröhre, noch in den samenbereitenden und -führenden Organen irgend etwas von der Regel Abweichendes gefunden.« Was war da zu tun?

Wäre eine Operation nötig gewesen, die Zerstörung des mittleren Vorsteherdrüsenlappens mittels der galvanokaustischen Schlinge? Oder wäre eher eine Sitzung nötig gewesen, die Zerstörung des schwanzwärts liegenden Hypochondriums mittels der psychotherapeutischen Behandlung? Unergründliches Hypochondrium, verschrobenes Sonnengeflecht, nichts ist, wenn man ein Blasenleiden hat, schöner als die Träumereien eines einsamen Spaziergängers, ja, einem manchen würde eine Harnverhaltung gar nichts schaden. - Ludwig Harig, Rousseau. Der Roman vom Ursprung der Natur im Kopf. München 1981 (zuerst 1978)

Diagnostik (3)   Wir haben es da mit den Symptomen solcher Krankheiten zu tun wie Gigantomania ferrogenes acuta, wie Paranoia misantropica persecutoria, wie Polyplasia panelec-tropsychica debilitativa gravissima, wie endlich auch mit der Necrophilia, Thanatophilia und Necromantia. Meine Herren! Ich muß Ihnen eine gewisse Angelegenheit erläutern, die zum Verständnis dieses Falles von grundsätzlicher Bedeutung ist. Das Raumschiff ‹Gottesgabe› hatte außer dem Stückgut, das für die Reeder von Procyon bestimmt war, auch mehrere synthetische Quecksilbergedächtnisbehälter an Bord, deren Abnehmer die galaktische Universität in Fomalhaut war. Sie enthielten zwei Arten von Kenntnissen: solche aus dem Bereich der Psychopathologie und solche der archaischen Lexikologie. Es ist anzunehmen, daß der Kalkulator, als er sich ausbreitete, diese Behälter verschlungen hat. Damit hat er auch Kenntnis erlangt über solche Geschichten wie die von Kuba dem Bauchschlitzer und dem Würger aus Gloomspick, wie die Biographie Sacher-Masochs, die Tagebücher des Marquis de Sade, die Protokolle der Geißelbrüdersekte aus Pirpinact, das Original des Buches von Murmuropoulos Der Marterpfahl im Querschnitt der Jahrhunderte sowie die Rarität aus der Bibliothek in Abbercrombie - Spießen, eine handschriftliche Abhandlung des im Jahre 1673 in London geköpften Hapsodors, der unter dem Spitznamen ‹Halskette der Säuglinge› bekannt war; von dem gleichen Autor auch: Würgen, Niedermähen und Verbrennen — ein Beitrag zur Henkerkunde sowie die einzige Schrift ihrer Art, die von O. Galvinari aus Amagonien kurz vor seinem Tod niedergeschriebene Ölspeisenkarte. In jenen fatalen Behältern befanden sich auch auf steinernen Tafeln entzifferte Sitzungsprotokolle der Kannibalensektion des Neandertaler Schriftstellerverbandes wie auch die Galgenbetrachtungen des Vicomte de Crampfousse; wenn ich noch hinzufüge, daß darin auch solche Werke Platz fanden wie Der perfekte Mord, Das Geheimnis der schwarzen Leiche oder Das ABC des Mordes von Agatha Christie, so können Sie sich wohl vorstellen, meine Herren, welch schrecklichen Einfluß dies auf die von Natur aus harmlose Persönlichkeit des Kalkulators haben mußte.

Bekanntlich bemühen wir uns nach Kräften, die Elektronenhirne in Unkenntnis dieser schrecklichen Seiten des Menschen zu lassen. Nun, da die Umgebung des Procyon bevölkert ist von der eisernen Brut einer Maschine, die bis zum Rande gefüllt ist mit der Geschichte der irdischen Degeneration, der Verkommenheit und des Verbrechens, muß ich leider gestehen, daß die Elektropsychiatrie in diesem Fall völlig ohnmächtig ist. Ich habe dem nichts mehr hinzuzufügen. - (lem)

Diagnostik (4)  Von Gustin Sabayot kann ich, ohne ihm Unrecht zu tun, sagen, daß er sich beim Stellen seiner Diagnosen kein Bein ausriß. Er richtete sich nach den Wolken.

Wenn er von Hause wegging, schaute er in die Höhe. «Ferdinand», sagte er mir, «heute wird es sicher Rheumatische geben! Wetten wir? Fünf Francs!» Das las er vom Himmel ab. Er irrte selten, da er die Temperatur und die verschiedenen Temperamente gründlich kannte.

«Aha! Da haben wir die Hundstage nach dem kühlen Wetter! Paß auf! Jetzt kommt Kalomel dran, das ist sicher! Die Luft bringt Gelbsucht mit sich! Der Wind hat sich gedreht... Norden auf Westen! Kälte auf Platzregen!... Das bedeutet fünfzehn Tage Bronchitis! Sie brauchen sich nicht mal auszupellen!... Wenn's auf mich ankäme, ich würde meine Verordnungen im Bett geben!... Im Grunde ist's ja nur Geschwätz, wenn sie kommen, Ferdinand!... Für die, die daraus ein Geschäft machen, hat es noch einen Sinn... aber wir?... die wir monatlich bezahlt werden?... zu welchem Zweck? ... siehst du, ich würde die Schnorrer behandeln, ohne sie anzuschaun! Von da, wo ich jetzt bin! Sie würden dabei nicht mehr und nicht weniger ersticken! Sie würden nicht noch mehr kotzen, nicht gelber, nicht röter, nicht blasser, nicht doofer sein... So ist das Leben!...» Damit hatte Gustin entschieden recht. - (tod)

Diagnostik (5)  DR. MULLIGAN (in Lederkoller, eine grüne Motorradbrille auf der Stirn): Dr. Bloom ist bisexuell anomal. Er ist erst kürzlich aus Dr. Eustaces Privatsanatorium für geisteskranke Herren entsprungen. Unehelich geboren, zeigt er Symptome erblicher Epilepsie als Folge ungezügelter Wollust. Spuren von Elephantiasis sind bei seinen Vorfahren entdeckt worden. Es bestehen starke Anzeichen eines chronischen Exhibitionismus. Ambidexterität ist ebenfalls latent. Er ist vorzeitig kahl geworden aufgrund von Selbstbefleckung, infolgedessen pervers idealistisch, ein moralisch gebesserter Wüstling, und bat Metallzähne. Infolge eines Familienkomplexes leidet er an zeitweiligem Gedächtnisausfall, und ich glaube, daß mehr gegen ihn gesündigt wird, als er selber sündigt. Ich habe eine pervaginale Untersuchung vorgenommen, und nach Anwendung des Säuretests auf insgesamt 5427 After-, Achsel-, Brust- und Schamhaare kann ich konstatieren, daß er virgo intacta ist. (Bloom hält seinen prima Qualitäts-Hut über seine Geschlechtsorgane.)

DR. MADDEN  Hypospadie ist ebenfalls festgestellt. Im Interesse kommender Geschlechter schlage ich vor, die befallenen Teile im Nationalmuseum für Teratologie in Weingeist aufzubewahren.

DR. CROTTHERS Ich habe den Urin des Patienten untersucht. Er enthält Eiweiß. Der Speichelfluß ist ungenügend, der Patellar-Reflex fällt zeitweilig aus.

DR. PUNCH COSTELLO Der fetor iudaicus ist stark ausgeprägt.   - (joy)

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