ezember Allerlei ergötzlichkeiten im dezember: Sich den kopf kratzen, eine nagelwurze abreißen wollen, es aber dann stehn lassen, Briefe anfangen, um sie nach dem datum gleich wieder zum teufel zu hauen, petroleum in das öfchen nachgießen, sich aufraffen und aufs klo hinausgehen, dran denken, daß man noch nicht rasiert ist, blutrot werden, falls einem seine schulden einfallen, die man noch bei guten freunden hat - alles daransetzen, um dieselben wieder zu vergessen, sich in den spiegel schauen und noch saurer werden, sein einziges taschentuch auskochen, aus langer weile kaffee trinken und auf die uhr gucken, frösteln, rülpsen, das radio mit dem spazierstock schlagen, weil es zum hundertsten mal die Westsidemariamaria quäkt, erkennen, daß man bislang doch nur scheißdreck fabriziert hat, an tote hündchen und vögel erinnert werden, zur überzeugung kommen, daß man von niemandem geliebt wird, außer von denen, die man nicht mag oder schlecht behandelt [und nicht einmal von diesen], heimweh kriegen nach den Alpen oder den nebligen wintern in deutschen Städten, im taschenkalender die miniaturkarten von Hessen, Württemberg und Bayern aufsuchen, mit wehmut an anständiges bier und gute kumpane denken ... - (hca)

Dezember (2)  auf dem Pflaster haben Fliegende Händler ihren Kitsch ausgelegt, Feuerzeuge, Nippes, Schallplatten, Kunstgewerbe-Handkettchen, oder Stände mit Nüssen, Oliven, sieht alles sehr armselig aus und schäbig, man möchte dort nicht kaufen. - Vor einem Jahr befand ich mich in einem engen, schmalen Tal, der Mond schien weiß und klar, es war winterliche Kälte, ich ging auf einem Acella-Bett in einer kleinen verrußten Kammer schlafen und stand morgens mit verrußtem Unterhemd wieder auf. - Jetzt bin ich in Rom, die Autos hupen in den schmalen grünen Gartenstreifen hinein, das Gras, die wilden Unkraut-Pflanzen sind immerzu grün und fest, -vor einem Jahr um dieselbe Zeit abends las ich in einem Stern-Heft eine Analyse über die Baader-Meinhof-Bande, und der Ofen bollerte, ich schwitzte - hier lese ich nachher weiter im Jahnn, Fluß ohne Ufer, Mittelteil 1. Band, über eine nördliche karge Landschaft, es ist das Kapitel „Dezember": Seit Tagen, so beginnt es, streicht ein eisiger Wind aus dem östlichen Raum über das Land. Er hat den ersten Schnee hungrig aufgeleckt. Der Boden liegt wieder nackt da. Die gläserne Kälte verwandelt die Kruste der Erde. Ätzender Staub klirrt über die Äcker ((: die Katze kam wieder jetzt geräuschlos durch die offene Tür aus der Gartendunkelheit herein, und sprang auf den Sessel, den ich an die Heizung neben der Tür in den Vorraum schob, wo sie sich nun leckt, das Hinterteil breit und fellig-weich ausgestreckt und den Vorderleib gelenkig aufgerichtet und zum Rücken gebogen, eine leichte Kälte streicht durch die Tür dicht über die roten Fliesen, sie kriecht unter dem verblaßten grünen Vorhang hindurch und herein und legt sich um meine Füße)) - Die kahlen Laubbäume schaukeln steif und leise klappernd. So ist es am Rand der hartgefrorenen Wiesen. Tiefer in den Wäldern gleicht der moosige weichtiefe Boden, plötzlich verwandelt, dem erhärteten Zement ((: das stimmt exakt, ich habe mich immer darüber gewundert, wie zement-hart der Waldboden werden kann: und jetzt sehe ich auch im Moment so ein Stückchen harten, zementhaften Waldbodens vor mir: da stecken Kiefern-Nadeln spitz drin oder sind darin eingegossen, und dann spüre ich auch wieder die feinen Unebenheiten dieses hartgefrorenen Bodens unter der Schuhsohle)) - Die Wurzeln der Pflanzen sind eingegossen wie in unerbittliches Gestein. Die Farben, die die Sonne gibt, sind von schmerzender Durchsichtigkeit ((: heute Nachmittag wieder bleiche Wolkenschübe, an den Rändern gezackt, über den Häusern und hoch in-der Luft, dazwischen gelbliche Lichtlachen -davor die in einer Höhe stumpf abgeschlagenen starren Äste eines buschigen Baumes, und näher daran, an der Tür, so daß ich geschützt und versteckt bin, schmale stachelige Kakteen-Streifen)) - Die Schatten des Lichtes wie zurückgehaltene blaue Nacht, so endet der erste Abschnitt bei Jahnn, Dezember. Und dann weiter: „Wenn die Dunkelheit hereingebrochen ist, füllt sich der Luftozean mit Unbarmherzigkeit" - daher hatte also Arno Schmidt sein Wort: Luftozean! (Und jetzt bellt draußen in der Dunkelheit der Hund, der immer abends in einer Ecke hohl bellt, jenseits der Mauer, er hört plötzlich auf, und fängt plötzlich wieder an - dazu einige Fingerpfiffe, grell und scharf, und der Hund bellt weiter: die Dunkelheit ist mit elektrischem Licht gefleckt, das über die Mauer fällt, es sind starke Glühbirnen, ohne Glasmantel darum, einfach in Fassungen geschraubt, die an der Straße stehen und die Straße beleuchten.) (Auch ein ferner Zugpfiff ist jetzt zu hören.) „Mich beschlich das Gefühl des Todes", heißt es bei Jahnn ein paar Zeilen weiter.  - (rom)
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