enkmal
Ein verwegener Haufe Straßburger fühlte am Donnerstag, dem Vortag des Einzugs,
den Drang, etwas Entscheidendes und Radikales zu vollbringen, etwas, was hinter
den Taten der andern nicht zurückstünde. Sie warteten damit bis zur Dunkelheit.
Und da bemächtigten sie sich, wie es stiller geworden war, eines gewaltigen
Seils und zogen mit ihm und einigem Handwerkszeug bewaffnet, mehrere Mann hoch,
Zivilisten, Soldaten und Matrosen, auf ein Abenteuer durch die Stadt aus. Wer
wissen wollte, was sie mit Seil und Handwerkszeug vorhatten, mußte sich ihnen
schon wohl oder übel anschließen. Und da waren es bald Hunderte, die dem Seil,
dem Schiffstau folgten, das vier starke Mann inmitten des Haufens auf den Schultern
trugen. Ein paar an der Spitze sangen die Marseillaise, die andern, die mit
ihrem Französisch noch nicht so weit waren, begnügten sich zu johlen. Sie zogen
über die Theaterbrücke auf den weiten Platz vor den schwarzen stummen Kaiserpalast.
Vor dem Kaiserdenkmal hielten sie. Mit Gesang und Gebrüll umgaben sie es. Auf
das Kaiserdenkmal hatten sie es abgesehen. Das hatte man schon in Voraussicht
der kommenden Dinge mit Holzbrettern verkleidet. Die Latten waren aber leicht
abgerissen.
Das Denkmal stand frei. Ein paar Mann sprangen auf das Piedestal, und jetzt wurde die Rolle des Schiffstaus klar: Man legte es der bronzenen Kaiserfigur dreimal um den Rumpf. Und dann, während sie von oben heruntersprangen und ein großer Kreis freigemacht wurde, begann ein regelrechtes Tauziehen unter aktiver und anfeuernder Beteiligung des ganzen versammelten Volkes. Ihr «ho-hü« ertönte regelmäßig über den Platz. Ein Zittern oben, ein Nachgeben, ein sichtbares Schwanken, und nun ein gelles allgemeines «ho-hü», ein Schrei, und knackend beugte sich die Bronzefigur vor und schmetterte krachend, splitternd vornüber auf die Steinquader hin. Der Jubel, das Getümmel. Und nun trat das Handwerkszeug in Funktion. Sie waren auf alles eingerichtet, man hatte alles vorbedacht. Sie hockten zu drei und vier auf der zerschmetterten Figur, meißelten, hämmerten, drückten. Mit einem Knirschen brach der Bronzekopf ab. Die Arbeit war beendet. Das lange Seil schlangen sie um den Bronzekopf Wilhelms I. und zerrten ihn, daß er über die Steine klirrte und holperte, vor das Denkmal ihres elsässischen Generals Kleber. Dem Helden der großen Revolution legten sie unter Hallo den Kopf des preußischen Eroberers zu Füßen. Matrosen kletterten auf den Sockel, schwangen Fahnen und hielten Ansprachen.
Es war ihnen noch nicht genug. Sie wußten noch anderes. An der Hauptpost
prunkten hoch von der Front drei Kaiserstatuen herunter. An sie wollten sie
heran, aber wie. Sie alarmierten die Feuerwehr. Die sollte ihnen ihre Leitern
zur Verfügung stellen. Die Pompiers kamen mit fröhlichem Klingeln an und wären
gern bei dem Geschäft gewesen, und am nächsten Tag zeigten sie sich mit kräftiger
Blasmusik als gute Elsässer und Feinde der Unterdrückung. Aber ihre Leitern
gaben sie nur für einen Brand her. Das lag ihnen so im Blut, und davon waren
sie nicht abzubringen. Sie palaverten lange und lachten mit dem Sturmtrupp.
Zum Schluß aber bimmelten sie heftig, man machte Platz und sie fuhren ab.
- Alfred Döblin, November 1918. Eine deutsche Revolution. Bd.1 München 1978
(dtv 1389, zuerst 1939)
Denkmal (2) Sehr große Standbilder aus Erz, die sich
bewegen, sind wegen der Bewegung des Erzes Symbole des Wohlstands, der Einkünfte
und des Gelderwerbs. Dagegen verursachen die übermenschlich großen, gleichgültig,
wie sie sich bewegen, Schrecken und ungewöhnliche Gefahren; denn ihre Bewegung
ist furchterregend und versetzt die Schauenden ganz natürlich in Schrecken.
Standbilder aus Marmor oder einem anderen Material sind genauso auszulegen wie
die Götterbilder. Ferner bedeuten die Standbilder die führenden Männer der Stadt.
Alles, was jene tun oder erleiden, werden auch die Obrigkeiten der Stadt erleiden.
- (
art
)
Denkmal (3) Die beste Eigenschaft meiner Vorfahren ist
die, daß sie tot sind; ich warte bescheiden, aber stolz darauf, sie darin zu
beerben. Ich habe Freunde, die mir sicherlich ein Standbild errichten und mich
darstellen werden, wie ich mich gerade über eine Pfütze
mit naturgetreuen Fröschen beuge. Sobald man eine Münze
in einen Schlitz geworfen hat, wird man mich ins Wasser spucken
sehen, und die Fröschlein werden aufgeregt zappeln und für die Dauer von anderthalb
Minuten quaken, Zeit genug, damit das Denkmal jegliches Interesse verliert. - (
ray
)
Denkmal (4) In Bombay steht nahe beim TOR INDIENS eine Statue Vivikanandas, dieses dickleibigen und anständigen Propheten und auf dem Sockel ein Zitat: »Ihr Gottheiten dieser Erde! Sünder! Sünde ist es, den Menschen so zu nennen; eine Verleumdung des Menschengeschlechts. Erhebt euch, ihr Löwen, schüttelt ab die Täuschung. Keine Schafe seid ihr; sondern unsterbliche Seelen, ewige und heilige Geister; keine Materie, keine Körper; die Materie ist eure Dienerin, nicht ihr die Diener der Materie.«
Schön, oder? Entbehrt nicht der Feinheiten; aber wie soll ich
sagen, ein bißchen zuviele Ausrufesätze. - Giorgio Manganelli,
Das indische Experiment. Berlin 2004 (zuerst 1992)
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