enkfehler    Der Mohrenknabe war vorangeeilt und öffnete diensteifrig die vergoldete Tür, welche zu den Gemächern des Herrschers führte. Die Vorzimmer waren halbdunkel. Dicker Staub lag auf den Möbeln. Die Öfen rauchten. Garden in verschossenen, scharlachfarbenen Uniformen standen gelangweilt umher, dazwischen Wachen im alten historischen Satanskostüm: grauen Fledermausflügeln, langen Schweifen, große Heugabeln im Arm. Blutrote Fackeln, die neben den Türen in eisernen Klammern steckten, warfen ein Ungewisses Licht über den Thronsaal und ließen die Schatten der Teufel in schwarzen, riesenharten Umrissen an den Wänden umhertanzen. Jetzt ertönte aus dem Nebenzimmer eine kreischende Stimme, dann plötzlich ein schallender Schlag. Die Tür wurde aufgerissen — Hals über Kopf flog wie ein roter Ball der kleine Mohr heraus, und langsam zog sich ein schwarzer Klumpfuß hinter ihm zurück.

»Durchlaucht ist heute schlechter Laune!« murmelte der Tod. Doch es war zu spät. Schon standen sie auf der Schwelle des matt erleuchteten Zimmers, in welchem, dem Geruch nach, soeben Schwefelhölzer angezündet waren. Die ganze Rückwand nahm ein großes, historisches Gemälde ein, den Sündenfall im Paradiese darstellend. Davor, an einem runden Spieltisch, saß eine hagere Gestalt, deren dünnes, schwarzes Haar nach allen Richtungen hin emporgekämmt war. Das Ordensband unter dem schäbigen Frack war zerrissen. Die dürren Hände wühlten mit ihren langen, spitzen Nägeln in einem Haufen ungestempelter Karten. Es war der Fürst.

Er streckte sein gelbes, faltiges Gesicht, dessen behaarte Backentaschen rechts und links wie zwei Tabaksbeutel herabhingen, etwas nach vorne und blinzelte mit einem tückischen Ausdruck zum Gast empor.

»Keck von Keckenstein!« sagte der Tod, sich ehrfuchtsvoll verneigend. Der Herrscher der Unterwelt warf dem Studiosus einen teuflischen Blick zu. »Sie geben!« krächzte er, ihm die Karten hinschiebend, »Sie geben! Sie sind der Jüngste.« »Nein, der erste Bube gibt!« erwiderte Keckenstein, indem er sich ohne Umstände am Tische niederließ und die Karten verteilte. »Es ist an Ihnen, Durchlaucht.« Der Teufel schnitt eine Grimasse, als ob er Rhabarber verschluckt hätte, bequemte sich aber dieser diktatorischen Weisung. Das Spiel begann. Das Glück war auf Seiten des Studiosus. Er hatte stets Trumpf und stach mit unverschämter Ruhe. Der Teufel zitterte vor Wut. Etwa fünf Minuten hatte dieses sonderbare Kleeblatt gespielt, als Keckenstein mit den Worten: »Tod und Teufel! Durchlaucht haben nicht bedient!« die Karten hinwarf.

Kaum aber hatte er dies gesagt, als der Fürst ein heiseres Gebell ausstieß und mit seinen Krallen über den Tisch hinweg dem Studiosus nach der Gurgel fuhr.

Keckenstein erhob sich und trat einen Schritt zurück. »Es scheint«, sagte er indigniert, »daß ich Ihren Charakter überschätzt habe. Wären Sie ein Gentleman, Sie würden eine Beleidigung mit der Waffe in der Hand zu ahnden wissen!« Der Teufel stieß einen gurgelnden Ton hervor. Er warf mit beiden Händen den Tisch um, hinkte nach der nächsten Ecke und riß zwei silberbeschlagene Pistolen von der Wand. »All right!« schrie er, »wir werden uns schießen — aber sofort! — ich habe den ersten Schuß — ich werde...« »Charmant!« sagte Keckenstein. »Aber Durchlaucht!« rief beschwörend der Tod, dessen elfenbeinerner Schädel noch um einen Ton bleicher wurde, »aber Durchlaucht!« — »Schweigen Sie!« kreischte der Teufel. »Aufstellen — laden — zählen!« Jener tat, wie ihm geheißen. Die Paukanten postierten sich. Sechs Schritt Abstand. Der Tod Unparteiischer. Wie ein Hauch klang sein Kommando: »Eins — zwei — drei!« Schon auf »eins« drückte der Teufel ab und traf Keckenstein mitten ins Herz.

Es war ein schöner Schuß! Nur — schade — er hatte einen kleinen, ganz kleinen Fehler: er war unlogisch! In der allgemeinen Aufregung hatte nämlich niemand bedacht, daß Keckenstein schon tot war, als er in die Hölle kam, und mehr als tot nicht geschossen werden konnte. Die Kugel flog so unschädlich durch ihn hindurch, als wenn sie durch Frühlingsbutter gegangen wäre. Sein Gegner stand starr vor Staunen.

Jetzt erhob Keckenstein das Pistol — langsam richtete er es auf den Gegner — ruhig zielte er — ein Druck — ein Knall! Fast gleichzeitig machte der Teufel einen riesigen Satz, überschlug sich dreimal in der Luft und fiel zuckend zu Boden. Aus dem verzerrten Mund quoll rauchend ein grünlich dicker Blutstrom, die Glieder schlugen wild um sich, der Klumpfuß streckte sich zitternd, wie ein Wahrzeichen, in die Höhe — dann war alles still. — Se. Durchlaucht waren tot! - Karl von Schlözer, Studiosus Keck von Keckenstein. Danse macabre. In: Jenseits der Träume. Seltsame Geschichten vom Anfang des Jahrhunderts. Hg. Robert N. Bloch. Fankfurt am Main 1990 (st 1595)
 

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