emütigung    Wenn die Frauen darüber nachdächten, würden sie über die Aufmerksamkeit und Achtung, die wir ihnen bezeugen, erröten; doch ihre Eigenliebe freut sich darüber, ohne nach den Beweggründen zu forschen.

Eine zornige Frau sagt einem Mann der Gesellschaft Beleidigungen, und er nimmt sie schweigend entgegen, weil sie das Recht hat, sie ihm ungestraft sagen zu dürfen; doch er hat das Recht, diese Beleidigungen zu mißachten, und das ist äußerst demütigend für sie.  - (mariv)

Demütigung (2)  Man band Vitellius die Hände auf den Rücken und schleppte ihn, einen Strick um den Hals, mit zerrissenen Kleidern, halb nackt auf das Forum. Die ganze Heilige Straße entlang erlitt er die größten Mißhandlungen und Beschimpfungen. Man zog ihm, wie das nur bei Verurteilten zu geschehen pflegt, den Kopf an den Haaren zurück und befestigte ein Schwert mit der Spitze nach oben auf seiner Brust, damit er sein Gesicht sehen lassen mußte und nicht zur Erde senken konnte. Einige bewarfen ihn mit Kot und Mist, andere schimpften ihn Mordbrenner und Freßsack, ein Teil des Pöbels verhöhnte ihn sogar seiner körperlichen Gebrechen wegen: er war nämlich überaus groß, sein Gesicht vom übermäßigen Weingenuß fast kupferrot, sein Leib aufgedunsen und das eine Bein etwas lahm infolge eines Stoßes von einem Viergespann, den er beim Wettfahren erlitten hatte, während er Kaiser Caligula dazu anleitete. Zuletzt wurde er bei den Gemonien durch unzählige kleine Wunden zu Tode gemartert und dann mit einem Haken in den Tiber geschleift.  - (sue)

Demütigung (3)   Moses Melker mußte angesichts der Monumentalstatuen Ramses' II. wie ein genmanipulierter Schimpanse gewirkt haben. Der Große Alte sah im Geiste Ottilie Räuchlin vor sich. Sie war erhaben, mächtig und häßlich. Der Große Alte achtete sie so, wie er Moses Melker belachte. Er liebte deren Souveränität, sie hätte sich Männer je nach Laune und Gusto halten können, wer wäre nicht gern mit Hilfe ihrer Millionen in ein angenehmeres Leben gestartet. Doch mit einem Schönling als Gatten hätte sie ihre Häßlichkeit betont, mit Moses Melker zeigte sie, daß sie sich nichts aus ihr machte. Diese Demütigung vermochte Melker nicht zu ertragen. In der Nähe von Edfu stand der Mond über dem Nil. Melker befand sich mit Ottilie Räuchlin allein auf Deck. Moses Melker nahm zähnefletschend einen Anlauf und wäre beinahe ihr nachgefallen. Niemand hörte das mächtige Platschen. Sie war so überrascht, daß sie nicht einmal schrie. Schmuckbeschwert ging sie wie ein Stein unter. Moses Melker vergaß seine Tat augenblicklich. Die Bretter der Theologie klappten den Abgrund zu, kaum hatte er gehandelt. Er ging in seine Kabine und begann Von zwei Engeln geführt zu schreiben, seinen Bestseller, in über dreißig Sprachen übersetzt, eine Huldigung an seine zwei ermordeten Frauen und ihnen gewidmet. Erst am nächsten Morgen, gegen Mittag, meldete er verstört dem Kapitän, seine Frau sei aus ihrer Kabine verschwunden. Man suchte, fand nichts und schöpfte keinen Verdacht. Seine Trauer war echt. Er hatte keine Ahnung mehr. Doch als er ob Grienwil in seine Villa zurückkehrte und das Schlafzimmer betrat, kam ihm die Erinnerung wieder. Im Ehebett lag gewaltigen Busens, dreikinnhoch seine Schwägerin Cäcilie Räuchlin, in einem durchsichtigen Seidenhemd, auf ihren Bäuchen lagen Pralinenschachteln, und sie rauchte Zigarren und las einen Kriminalroman. Cäcilie Räuchlin schaute Moses Melker an, rauchte und las weiter. An ihrem Blick hatte Melker erkannt, daß sie alles wußte. Er kroch zu ihr ins Bett und in seine dritte Ehe.  - Friedrich Dürrenmatt, Durcheinandertal. Zürich 1998
 

Beleidigend

 

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