Demoralisieren  Er stand eine Weile in der Staubwolke, die der Wind vom schwarzen Aschenberg heruntergeweht hatte, und lächelte über seine eigenen Gedanken.

»Statt sechzig Zigaretten täglich zu paffen«, sagte er, an die rauchenden Kinder gewandt, »solltet ihr lieber mal an den Rand der Oase gehen und einen Schluck frischen Sauerstoff einatmen.«

»Was redest du da wieder für Unsinn?« Die Mutter war erregt.

Die Kinder starrten den Alten an. »Es ist mir so rausgerutscht ...« Er hüstelte. »Macht richtige Lungenzüge, ihr Dummerchen. Dem Großvater ist es wieder mal so rausgerutscht, obwohl jeder gebildete Mensch weiß, daß es ohne Nikotin keine richtige Entwicklung des jungen Organismus gibt.«

Der Alte schlappte zum verlöschenden Feuer. Daneben erhob sich ein Stapel Schrott, der aus Computerresten bestand. Er setzte sich schwerfällig auf einen aus dem Schlamm hervorstehenden Fernsehempfänger.

Die Frau hob ein Salzfaß mit Zyankali über den Suppentopf. Sie schätzte scharfe Gewürze und war darum von der Tatsache beunruhigt, daß ihr Vorrat sich in erschreckendem Tempo verringerte.

»Immerzu demoralisierst du mir die Kinder, Vater«, nahm sie das ärgerliche Gespräch wieder auf. »Hat angeblich die Welt gesehen, kennt sich mit Schrott aus und kann Makulatur lesen, aber wenn er was in Hörweite der Enkel von sich gibt« — ihre Stimme wurde lauter —, »tun einem die Ohren weh.«

»Du kannst sie nicht ständig beschützen«, seufzte er kläglich. »Heute sucht die Jugend sehr früh Narkotika. Wenn du sie heute nicht aufklärst, erfahren sie morgen von den Lümmeln aus dem nächsten Rinnstein, daß von allen Dopingmitteln - außer Spritzen mit reinem Vitamin und außer den Sonnenstrahlen — eine Portion frische Luft die buntesten Halluzinationen hervorruft.«

»Ach, du meine Güte!« Die Frau hielt den Kindern die Ohren zu. »Kein Wort mehr über dieses Thema, sonst kriegst du zum Abendessen nie wieder dein Viertel Brennspiritus, Vater!«

»Du drohst damit, weil du weißt, wie sehr ich dieses Getränk liebe.«

»Niemand mißgönnt's dir, wenn wir gerade in den Ruinen einige verstaubte Flaschen eines guten Lösungsmittels ausgewühlt haben. Aber misch dich nicht in die Kindererziehung, Vater!«   - Adam Wisniewski-Snerg, Die Oase. In: Phantastische Welten, Hg. Franz Rottensteiner. Frankfurt am Main 1984

 

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