Delirium  Die kurze und sehr schöne Zeit des halluzinierenden Deliriums, die sie nicht im mindesten ängstigt, bezahlt sie teuer danach, wenn sie wieder in tiefe Depressionen und Hoffnungslosigkeit verfällt. Für die Psychiater ist es leicht, diesen Krisenzustand mit Hilfe von Medikamenten zu dämpfen; unendlich viel schwerer ist es aber, sie aus der anschließenden Lethargie herauszureißen, die jede ernste Arbeit unmöglich macht. - In manchen Kliniken hält man die Kranken zur Tätigkeit an, es soll zu ihrer Heilung beitragen, und sie selbst zwingt sich jeden Tag zum Zeichnen, um die Stumpfheit der langen leeren Tage zu überwinden; das Resultat dieser Arbeiten ist aber zum größten Teil völlig wertlos. Hingegen sind die phantastischen Zustände, in die sie jedesmal durch den Ausbruch der Krise versetzt wird, faszinierend und reich an Poesie.   - Unica Zürn, Nachwort zu: U. Z., Der Mann im Jasmin. Frankfurt am Main - Berlin  1977

 Delirium  (2)

Delirium! Delirium!

Ein Décadencebild

Alte Knaben sitzen auf den leersten Tonnen,
Und die Nächte siegen über alle Sonnen.
Hinten nagen unsichtbare weiße Mäuse
An dem bös zerbeulten großen Hirngehäuse.
Hör doch, wie die ganze Schädelhöhle quarrt!
Ist die alte Rinde »wirklich« noch so hart?
Alles geht zu Ende - auch der dickste Kopf!
Ach, die weißen Mäuse haben dich am Schopf!
Glaubst du, Läuse sitzen bloß in deinem Puder?

Nein, du bist ein unverschämtes dummes Luder,
Und die Frechheit kommt in erster Reihe ran.

  - Paul Scheerbart, Katerpoesie (1909)

 Delirium  (3)  Es gab lange Unterhandlungen zwischen den Verwandten des Patienten, die ihn loskaufen wollten, zuerst mit kleinen Summen, dann mit höheren. Andere Stimmen berieten, wie sie den Patienten umbringen wollten. Dann wurden die Verwandten auf Leitern gelockt und in den Burggraben geworfen, wo man sie schreien und röcheln hörte. Die Frau des Gefängniswärters kam, schnitt Stück für Stück, von seinen Füßen anfangend, von seinem Fleisch ab bis zur Brust herauf, briet und aß es. Auf seine Wunden streute sie Salz. Der Patient wurde auf einem stark schwankenden Gerüste in die verschiedenen Himmel bis in den achten hinaufgezogen, an Posaunenchören vorbei, die seinen Namen ausriefen. Schließlich wurde er wegen irgendeines Fehlers wieder zur Erde befördert . . . Leute saßen an einem Tisch und aßen und tranken von Dingen mit dem köstlichsten Aroma; aber wenn man ihm ein Glas reichte, so war es in nichts verschwunden, und er litt großen Durst. Hierauf mußte er stundenlang laut zählen und rechnen. Man reichte ihm in einem Fläschchen Himmelstrank; wenn er es aber nehmen wollte, so zerbrach es, und der Inhalt floß ihm zwischen den Fingern hindurch wie Leimfäden. Später wurde zwischen seinen Peinigern und seinen Verwandten eine große Schlacht geschlagen, von der er nichts sah, aber Schlag und Stöhnen hörte.  - Schizophrenen-Delirium nach Bleuler, nach (cane)

 

Rausch

 

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