ekadenz Wilbur
Whateley wurde am 2. Februar 1913 an einem Sonntag um fünf Uhr in der Frühe
geboren. Man erinnerte sich an dieses Datum, weil Lichtmeß war, - was die Bewohner
von Dunwich aber sonderbarerweise mit einem anderen Namen benennen — und weil
die Geräusche in den Bergen erklungen waren und alle Hunde der Umgebung die
Nacht davor ununterbrochen gebellt hatten. Weniger erwähnenswert war die Tatsache,
daß die Mutter eine der dekadenten Whateleys war, eine irgendwie entstellt wirkende,
wenig anziehende Frau von albinohaftem Aussehen, 35 Jahre alt, die mit ihrem
alten halbverrückten Vater zusammenlebte, über den in seiner Jugend die schrecklichsten
Geschichten von Hexenkunst und Zauberei gemunkelt wurden. Niemand wußte, wer
der Vater des Kindes war, aber Lavinia Whateley machte, da das in dieser Gegend
nicht als Schande galt, keinen Versuch, das Kind zu verleugnen; im Gegenteil,
sie schien merkwürdig stolz auf den dunklen, ziegenbockähnlichen
Säugling zu sein, der zu ihrem eigenen widerwärtigen rosaäugigen Albinotyp so
einen Kontrast bildete, und man hörte sie lauter rätselhafte Prophezeiungen
über seine ungewöhnlichen Kräfte und seine ungeheuerliche Zukunft verkünden.
-
H. P. Lovecraft, Das Grauen von Dunwich. In: Cthulhu. Geistergeschichten.
Übs. H. C. Artmann. Frankfurt am Main 1972 (st 29, zuerst 1929)
Dekadenz
(2) Noch nie ist ein Volk durch unmäßigen Weingenuss untergegangen,
alle gehen durch unmäßigen Frauengenuss zugrunde. - J.-J. Rousseau,
Brief an d'Alembert [1758], nach (
sot
)
Dekadenz
(3, andauernde) Den Historikern zufolge tötete der Matador Pedro Romero
in Spanien zur Zeit der amerikanischen Revolution zwischen den Jahren 1771 und
1779 5600 Stiere recibiendo und blieb
am Leben, um mit 95 Jahren in seinem Bett zu sterben. Wenn dies wahr ist, leben
wir wahrhaftig in einer sehr dekadenten Zeit, da es bereits ein Ereignis ist,
wenn man sieht, wie ein Matador den Versuch macht, einen Stier zu <empfangen>,
aber wir wissen nicht, wie viele Stiere Romero lebendig hätte <empfangen>
können, wenn er versucht hätte, sie mit capa und muleta so dicht
an sich vorbeikommen zu lassen wie Juan Belmonte, noch wissen wir, wie viele
von den fünftausend er gut <empfing>, das heißt: bewegungslos auf sie
wartete und den Degen hoch oben zwischen den Schultern hineinstieß, oder wie
viele er schlecht <empfing>, indem er zur Seite trat und den Degen in
den Hals gehen ließ. Historiker sprechen von allen toten Stierkämpfern außerordentlich
rühmend. Wenn man irgendein Geschichtswerk über die großen Kämpfer der Vergangenheit
liest, erscheint es einem unmöglich, daß sie je schlechte Tage hatten oder daß
das Publikum je mit ihnen unzufrieden war. Es kann sein, daß man vor 1873 niemals
mit ihnen unzufrieden gewesen ist; ich hatte keine Zeit bisher, die zeitgenössischen
Berichte noch weiter zurückzuverfolgen, aber seit der Zeit befand sich der Stierkampf
nach der Meinung der zeitgenössischen Chronisten immer in einem Zustand der
Dekadenz. In dem Zeitalter von Lagartijo und Frascuelo, auf das man heute als
das goldene aller goldenen Zeitalter hinweist, und das wirklich ein goldenes
Zeitalter war, wurde allgemein die Ansicht vertreten, daß es schlimm um die
Dinge bestellt war. Die Stiere waren viel kleiner und jünger, oder sonst waren
sie groß und feige. Lagartijo war kein Töter, Frascuelo ja, aber-er war gemein-geizig
gegen seine cuadrilla, und keiner konnte mit ihm auskommen. Lagartijo
wurde bei seinem letzten Auftreten in Madrid von der Menge aus der Arena gejagt.
Wenn wir in den Berichten zu Guerrita kommen, einem anderen Helden des goldenen
Zeitalters aus der Periode gerade vor, während und nach dem spanisch-amerikanischen
Krieg, lesen wir wieder, daß die Stiere klein und jung sind; dahin sind die
riesenhaften Tiere von phänomenaler Tapferkeit aus den Zeiten von Lagartijo
und Frascuelo. Wir lesen, daß Guerrita kein Lagartijo ist; es sei eine Entweihung,
die beiden zu vergleichen, und diese gezierte Afferei ließe jene sich im Grabe
umdrehen, die sich an die ernsthafte Rechtschaffenheit (nichts mehr von gemeinem
Geiz) von Frascuelo erinnerten. El Espartero taugt nichts und beweist es, indem
er getötet wird; schließlich zieht sich Guerrita zurück, und alle atmen erleichtert
auf; man war ihn satt, obgleich nun, da der große Guerrita nicht mehr ist, der
Stierkampf seinen äußersten Tiefstand erreicht hat. Die Stiere sind merkwürdigerweise
kleiner und jünger geworden, oder wenn sie groß sind, sind sie feige. Mazzantini
taugt nichts; er tötet zwar, jawohl, aber nicht recibiendo, und mit der
capa ist er sich selbst immer im Wege, und mit der muleta ist
er ein Versager. Glücklicherweise zieht er sich zurück, und nun, da der große
Don Luis Mazzantini nicht mehr da ist, werden die Stiere kleiner und jünger,
obschon es auch wieder ein paar riesige, aber feige gibt, die wohl geeignet
sind, Wagen zu ziehen, aber nicht für die Arena taugen. - Ernest Hemingway, Tod am Nachmittag. Reinbek bei Hamburg 2003 (zuerst 1932)
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