efinieren   Dungyerszki, der ein sehr bewegliches Gehirn besaß, bemerkte eines Abends, als er wieder definierte, daß ein Zuhälter einem Reichsgrafen durchaus vorzuziehen sei, da jener als Mitgiftjäger in Raten vor dem in Ehren, nämlich dem Reichsgrafen, nicht nur voraus habe, daß Madame auch etwas davon habe, sondern überdies das Risiko, nämlich den Mut.

Dungyerszki liebte es seit mehreren Wochen, zu definieren, weil es ihn sehr unternehmungslustig machte und sich selber interessanter.

An diesem Abend beschloß er denn endlich, nicht mehr zu hungern, vielmehr mit sich hervorzutreten und seine interessante Person zu fruktifizieren.

Er begab sich dieserhalb in die Kauffinger Straße und trat neben eine sehr farbig gekleidete und mit zweifelhaften Bijous fast verhängte junge Dame mit der höflichen Frage: "Was verstehen Sie unter 'Laster', meine Gnädige?"

"Wie, mein Herr?"

"Ich möchte mir die Frage gestatten, was Sie unter 'Laster' verstehen."

"Gengerns weg. Frozzelns an andere als mi."

"Weit gefehlt, meine Gnädige. Und damit Sie davon überzeugt sein können, hier meine Antwort: Laster ist eine Beschäftigung, welche es der Tugend ermöglicht, vorhanden zu sein."

"Sö san einer. Gehns, sagns dös no amal."

"Gerne." Dungyerszki repetierte langsamer und tonvoller.

"Jessas, san Sö einer. Aber wo er recht hat, hat er recht." Die junge Dame lächelte animiert.

"Nun wird es Ihnen aber sicherlich nicht schwer fallen, meine Gnädige, mir zu sagen, was Sie unter 'Tugend' verstehen."

"Na, sagns es nur glei, daß Sies los wern."

"Sie sind Psychologin. Nun denn ..."

"Was bin i? Sö, gebns acht, was sagn."

"Konträr, es war ein Lob. Nun denn: Tugend ist die Abwesenheit jeder Möglichkeit, sich dem Laster zu widmen."

"Härns, Sö gfalln mer. Was hams denn für an Beruf?"

"Den, keinen zu haben. Denn ein Beruf ist der gelungene Nachweis des Mangels jeder besseren schlechten Eigenschaft."

Die junge Dame lachte lieblich auf, sah schnell auf ihre Armbanduhr und holte sich hierauf, kurz entschlossen, Dungyerszkis Unterarm: "Kommens, 's is erscht sechse. Trinkens a Halbe mit mir." - Walter Serner, Ein bedeutender Schlepper. In: W. S, Zum blauen Affen. Dreiunddreißig Kriminalgeschichten. München 1983 (dtv 10176, zuerst 1921)
 

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