eckmantel Im Grunde möchte ich im Hintergrund
bleiben und virtuell der Erste sein - ohne Glorienschein, aber für die Scharfsichtigsten
mit Lorbeer bekränzt - und schließlich die Weihe eines genialen Menschen erhalten,
dem im Gegenzug meine erleuchtete Ergebenheit oder meine messerscharfe Auffassungsgabe
unentbehrlich wären. Ich möchte gleichzeitig der Skrupulöse sein, der sich ganz
ohne Selbstgefälligkeit sieht, und der Vergessene, der auf eine immanente Gerechtigkeit
vertraut, der Bescheidene und der Stolze, seines Rechtes gewiß, sich weniger
bescheiden zu geben, der Gefolgsmann und Wesir, ohne dessen Zutun sich die Autorität
des Sultans nicht behaupten könnte - darauf läuft bei mir letztlich alles hinaus
und darauf ist dieser Widerspruch zurückzuführen, der vielleicht nur ein Deckmantel
ist, mit dem ich eine Methode tarnen möchte, gleichzeitig zwei Eisen im Feuer
zu haben (die wahre Triebfeder wäre dann eher Duplizität als Dualität): wenn
mein Wert wirklich überragend ist, wird man ihn um so mehr schätzen, wenn ich
verkannt wurde und eine Fehleinschätzung vorliegt, die korrigiert werden muß;
wenn ich zu Recht nichts beansprucht habe, wird man zumindest einen Menschen
in mir erkennen müssen, der nie etwas vortäuschen wollte und so eine Klugheit
bewiesen hat, die man nur selten antrifft. Was auch immer geschieht: wenn ich
es vermeide, andere auszustechen und in mich selbst eingerollt bleibe, kann
ich nicht nur ein mögliches Scheitern verhindern, sondern stelle mich auch nicht
bloß und setze mich ebenfalls nicht der Gefahr von Schicksalsschlägen aus, wie
sie das Spiel Wer-verliert-gewinnt für allzu krasse Glückspilze bereithält.
- Michel Leiris, Die Spielregel 2. Krempel. München 1985 (zuerst
1955)
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