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Beste draus machen
Weil es verschiedene Formen der Kindesentführung gibt, bin ich mir,
was meine Fluchtpläne angeht, recht unsicher. Bestimmt lässt nicht jeder Entführer
mit sich reden. Und wenn er mit sich reden lässt, also einer derjenigen Entführer
ist, die mit sich reden lassen, wie soll ich entscheiden, was ich am besten
sage, ob ich flehe, bettle, sachlich bleibe, ablenke oder gar andeutungsweise
drohe? Und selbst wenn ich mich auf jeden möglichen Charakter des Entführers
vorbereite, bleibt fraglich, ob ich den Charakter des Entführers, der in unser
Haus eindringt, erkennen kann. Und ob es mir überhaupt etwas nützt, den Charakter
des Entführers zu erkennen, weil ich am meisten Angst vor dem Schock habe, der
darin besteht, dass er meine Eltern umbringt und ich sie zuerst noch in ihrem
Blut erahne, dann aber wirklich darin liegen sehe, während er mich in meinem
Schlafanzug an der halboffenen Schlafzimmertür vor-beischleppt. Ich rechne mir
nur eine Chance aus, wenn er durch mein Zimmer hindurch in das Zimmer meines
kleinen Bruders geht, um auch ihn noch zu töten. Das heißt, ich darf meinen
kleinen Bruder nicht warnen, ich muss ihn opfern, denn während er ihn tötet,
könnte ich aufspringen und aus meinem Zimmer und mit zugekniffenen Augen am
halboffenen Schlafzimmer meiner Eltern vorbei nach draußen rennen und dort laut
schreien, ganz laut schreien, so laut schreien, dass es der Hausmeister vorn
in seinem Häuschen hört und die Polizei holt und selbst angerannt kommt mit
seiner Stablampe. Und die beiden Hilfsarbeiter, die hinten im Lager schlafen,
die kämen auch, weil sie sich etwas davon versprechen, den Sohn des Chefs zu
retten, weil sie noch nicht wüss-ten, dass ihr Chef mit durchgeschnittener Kehle
oben neben seiner Frau liegt. Sie hätten auch keine Angst vor dem Entführer,
der ja nur stark ist, wenn er Schlafende ersticht oder Kinder entführt. Sie
würden nach oben rennen und den Entführer stellen, und ich würde sie belohnen,
denn ich wäre nun ihr Chef, zumindest auf dem Papier.
- (raf)