angerous Davies    Über dem Friedhof wurde es hell. Der Tag brach unvermittelt an - die Dämmerung fiel anscheinend aus - und beleuchtete eine nicht besonders aufregende Szene. Ein Goldregenbaum tropfte beharrlich vor sich hin, Katzen strichen nach Hause, und der Schläfer auf dem Grab des seligen Basil Henry Weggs, vormals Bürger dieser Gemeinde (›Er liebte alle Menschen‹), reckte und streckte seine schmerzenden Glieder mit Bitterkeit im Herzen. Die ganze Nacht über hatte er vergeblich gewacht. Niemand hatte versucht, den Friedhof in die Luft zu sprengen.

Nicht, daß er das wirklich erwartet hätte. Es wäre nicht nur sinnlos, sondern auch schwierig, ja praktisch unmöglich zu bewerkstelligen gewesen. Aber schließlich mußte in irgendeiner sichtbaren Form auf den gekritzelten Zettel mit der Drohung, den jemand beim Polizeirevier abgegeben hatte, reagiert werden, und natürlich hatten sie ihn dazu losgeschickt. Es war eine zwar unbequeme, aber nicht besonders unheimliche Nacht geworden. In seinen braunen langen, dicken Wintermantel eingehüllt und auf dem harten Grabstein ausgestreckt, hatte Davies sich vorzustellen versucht, wie es hier wohl am Morgen des Jüngsten Tages zugehen würde. Er malte sich aus, wie sich die Grabsteine ächzend auftun würden, sah die Insassen herausklettern und sich die Augen reiben. Aber nichts war passiert, was ihn nicht sonderlich überraschte - er war wohl nicht dazu auserkoren, jemals bei einer großen Sache dabeizusein.

Als mit dem ersten Tageslicht die ohnehin geringe Aussicht auf Attentäter oder Gespenster endgültig dahinschwand, nickte er ein wenig ein und erwachte erst wieder, als der Friedhofsaufseher ihm kurz nach acht einen heimtückischen Stoß versetzte.

Davies öffnete blinzelnd die Augen. »Übernachten auf den Grabsteinen ist verboten«, sagte der Mann.  - Leslie Thomas, Dangerous Davies, Der letzte Detektiv. Köln 1991 (DuMont's Kriminal-Bibliothek 1028, zuerst 1976)

Detektiv

 

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