»Es scheint mir, lieber Marquis, ein gewisser Extremitätenkult bei Ihnen
vorzuliegen. Er hat seinen guten Sinn als Abneigung eines entwickelten Wesens
gegen die fußlose Wurmform. Was
aber den vollschlanken Frauenarm angeht, so sollte man bei dieser Gliedmaße
sich gegenwärtig halten, daß sie nichts anderes ist als der Krallenflügel des
Urvogels und die Brustflosse des Fisches.« - Thomas
Mann
,
Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull. Frankfurt am Main 1965 (Fischer-Tb.
639, zuerst 1954)
In dem Augenblick faßte er sein Schwert, schlug damit auf den Arm und hieb ihn von der Schulter ab.
Da streckte sie den andern Arm nach ihm aus, um ihn fortzuziehen. Er schlug wieder und hieb den Arm von der Schulter ab.
Da fiel sie schwer von oben herunter auf den Boden und gleich sieben Klafter
tief hinab. So wuchtig war sie. - (
ir
)
Aus der Wand fuhr ein dünner Frauenarm. |
«Da ist was in der Schaufel! Anhalten! Da ist was in der Schaufel!»
Der Decksmann blickte verwirrt zuerst auf den Mann und dann auf die Baggerschaufel, die langsam über den Laderaum einschwenkte, um ihren Inhalt auszuspucken. Schmutziggraues Wasser floß aus der Schaufel, als der Maschinist sie über dem Laderaum zum Halten brachte. Und da sah der Decksmann, was der Mann auf der Mole schon vor ihm gesehen hatte: Über den Rand der Schaufel ragte ein weißer, nackter Arm.
Die nächsten zehn Minuten waren lang und hektisch. Anweisungen wurden herausgebrüllt. Auf der Kaimauer stand ein Mann, der fortwährend wiederholte: «Es darf nichts angerührt werden. Alles muß bleiben, wie es ist, bis die Polizei kommt...»
Der Baggerführer kam heraus und starrte umher. Dann ging er in seine Kabine zurück, setzte sich auf den Sitz hinter seinem Schaltbrett und ließ den Kran ausschwingen und die Baggerschaufel sich öffnen; der Baggermeister und der Decksmann und ein eifriger Angler fingen den Körper auf.
Es war eine Frau. Bald darauf lag sie auf einer zusammengelegten Persenning draußen auf der Mole; rund herum stand gaffend eine Gruppe fassungsloser Menschen. Es waren Kinder darunter, doch niemand dachte daran, sie wegzujagen.
Der Decksmann hatte drei Eimer Wasser über sie geschüttet. Lange hinterher, als die polizeiliche Untersuchung sich festgerannt hatte, fanden sich kluge Leute, die ihm das zum Vorwurf machten.
Sie war völlig nackt; sie trug nicht einmal einen Ring oder eine Kette. Die
Haut über Brust und Unterleib war heller, offenbar hatte sie sich im Bikini
gesonnt. Die Tote hatte breite Hüften, kräftige Schenkel und schwarze, nasse
Schamhaare. Die Brust war klein - mit großen, dunklen Warzen. Vom Nabel hinunter
zur Hüfte lief eine rötliche Schramme. Sonst war die Haut glatt und ohne Flecken
oder Narben. Sie hatte kleine Hände und kleine Füße; weder Hand- noch Zehennägel
waren lackiert. Das Gesicht war gedunsen; schwer zu sagen, wie sie wirklich
ausgesehen hatte. Die Augenbrauen waren dunkel und kräftig, der Mund breit.
Das Haar war schwarz und halblang und am Hinterkopf angeklatscht. Quer über
den Hals ringelte sich eine nasse Haarsträhne. - Sjöwall / Wahlöö,
Die Tote im Götakanal. Reinbek bei Hamburg 1975 (Umschlagfoto Katrin Mack)
|
||
|
|
|
|
|