Dame, tätowierte  Die tätowierte Dame heißt Frau Koritzky und nennt sich Nandl. Sie hat ein Kabinett in einer Bierwirtschaft, aus der sie die Gäste zu sich herübernötigt. Man zahlt dreißig Centimes, Artisten frei. Sie entblößt die Brust, die Arme und die Oberschenkel (Sittlichkeit ausgeschlossen, die Kunst hält das Gleichgewicht) und ist dann über und über mit Porträts, Seerosen, Blumenranken und Blattgewinden bedeckt. Der Gatte spielt Zither dazu. Das Gesäß bedecken zwei Schmetterlingsflügel. Das ist zart und zeugt für ästhetische Norm. Irgendwo las ich einmal von einer indischen Tätowierten, die sich die Namen ihrer Liebhaber in die Haut punktieren ließ. Das ist hier nicht der Fall. Nandl bietet mit ihren Porträtmedaillons eher einen Kursus in der deutschen Musik- und Literaturgeschichte. Es betrifft die Bildung, nicht die Erotik. Die Operation des Tätowierens soll übrigens sehr schmerzhaft, mitunter lebensgefährlich sein. Es zeigen sich Vergiftungssymptome, die von der Farbe herrühren.  - Hugo Ball, Die Flucht aus der Zeit. Zürich 1992 (zuerst 1927)
 
 

Dame Tätowierung

 

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