ämmerwind   Papst Zephyrin hatte seinen Namen gewählt, weil er die weichen abendlichen Dämmerwinde über alles liebte. Und da er diese Winde zu den Gottesgaben zählte, war es ihm vergönnt, das kecke Fächeln Zephyrs hinter den Ohrläppchen so auszukosten, daß ihm regelmäßig ein Gänsehautkribbeln den Rücken hinunterlief. Daß es eigentlich Hildegunde war, die dieses Kribbeln verursachte, wollte er nicht wahrhaben. Hildegunde hatte, als er sie noch Hilde nannte, bei Gelegenheit der Abenddämmerung des öfteren sein Ohrläppchen zwischen ihre Lippen genommen und hatte dabei unvergeßlich durch die Nase geschnauft, just auf seinen sensiblen Fleck hinterm Ohrläppchen. Als sie aber einmal sein zartfühlendes Läppchen nicht nur zwischen die Lippen, sondern zwischen die Zähne nahm und nur so zum Spaß herzhaft zubiß, hatte er beschlossen, doch lieber Papst zu werden. Sonst war er sehr bescheiden. Er begnügte sich mit einfachen Speisen wie Erbsensuppe, dicken Bohnen mit Speck und Grünkohl mit Pinkelwurst. Aber die Bevorzugung solch schlichter rustikaler Nahrung führte zu unliebsamen Folgeerscheinungen. Der schwärmerische Verehrer Zephyrs bekam es mit Winden ganz anderer Art zu tun. Nachts schlief er zwar aufgrund seines guten Gewissens grundsätzlich gut, wenn auch sein Blähbauch sich unter der Bettdecke rundlich wölbte. In der Ruhelage gab es keine Probleme. Aber wenn er dann morgens am Altare stand und sich dem Ritus entsprechend immer wieder mal vorbeugen mußte, wurde die Chose unangenehm. Die Meßdiener waren nämlich in einen unbefristeten Streik getreten. Sie weigerten sich rundheraus, bei den heiligen Handlungen hinter dem Zelebranten zu knien. Daraufhin hat Papst Zephyrin, klug und tolerant wie er war, eine Liturgiereform veranlaßt und festgelegt, daß die nicht so nötigen Verbeugungen bei der Meßfeier erheblich reduziert wurden und daß überdies die Meßdiener von nun an nicht mehr unmittelbar hinter dem Priester, sondern seitlich davon in gehörigem Abstand postiert wurden.  - Norbert Johannimloh, nomen est omen. Geschichten der Päpste. In: Der Rabe, Magazin für jede Art Literatur Nr. 37, Zürich 1993
 
 

Wind

 

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