Dämmerung, römische    Die Signora Liliana war ja nun, ungeachtet der (tageweise) schlecht unterdrückten Seufzer, unter den wehenden Wolken ihrer Traurigkeiten, eine begehrenswerte Frau: alle nahmen, im Vorübergehen, ihr Bild in sich auf. In der Dämmerstunde, in jenem ersten Absinken in die traumbeladene römische Nacht, wenn man auf dem Heimweg war... da blühten von den Ecken der Palazzi, von den Gehsteigen, die Ehrenbezeigungen der Blicke ihr zu, einzeln oder kollektiv: Augenblitze und jugendliches Feuer: ein Flüstern, manchmal, streifte sie: wie ein leidenschaftliches Murmeln des Abends. Manchmal, im Oktober, erhob sich aus jenem Farbloswerden der Dinge, aus der fliehenden Wärme der Mauern ein plötzlicher Verfolger, Hermes, mit den kurzen Flügeln des Mysteriums: oder, vielleicht, ein seltsames Friedhofsgewächs, das ins Volk, in die urbs, wieder heraufgestiegen war. Einer, der geiler war als die anderen. Und unverschämter ... Rom ist Rom. Und sie schien Mitleid zu haben mit dem armen Esel, der so siegessicher dahinsegelte, auf gut Glück, getragen von seinen großen Eselsohren: mit ihrem Blick, halb Entrüstung, halb Erbarmen, halb Dankbarkeit und doch Entrüstung, schien sie zu fragen: »Na und?« Verschleierte Frau, für die Lüsternsten, von süßem, dunklem Klang: mit blendender Haut: versunken, so oft, in einen ihrer Träume: mit einem Vlies schöner, kastanienfarbener Haare, die ihr aus der Stirn sprangen; sie zog sich wunderbar an ... Sie hatte feurige Augen, entgegenkommend fast durch das Licht (oder war es ein Schatten ?} schwermütiger Brüderlichkeit...     - Carlo Emilio Gadda, Die gräßliche Bescherung in der Via Merulana. München 1988
 

Rom

Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 

Unterbegriffe

VB

 

Synonyme