achkater  Es ist doch etwas Schönes, Herrliches, Erhabenes um das Leben! - »O du süße Gewohnheit des Daseins!« ruft jener niederländische Held in der Tragödie aus. So auch ich, aber nicht wie der Held in dem schmerzlichen Augenblick, als er sich davon trennen soll - nein! - in dem Moment, da mich eben die volle Lust des Gedankens durchdringt, daß ich in jene süße Gewohnheit nun ganz und gar hineingekommen und durchaus nicht willens bin, jemals wieder hinauszukommen. Ich meine nämlich, die geistige Kraft, die unbekannte Macht, oder wie man sonst das über uns waltende Prinzip nennen mag, welches mir besagte Gewohnheit ohne meine Zustimmung gewissermaßen aufgedrungen hat, kann unmöglich schlechtere Gesinnungen haben als der freundliche Mann, bei dem ich in Kondition gegangen und der mir das Gericht Fische, das er mir vorgesetzt, niemals vor der Nase wegzieht, wenn es mir eben recht wohlschmeckt.

O Natur, heilige hehre Natur! wie durchströmt all deine Wonne, all dein Entzücken meine bewegte Brust, wie umweht mich dein geheimnisvoll säuselnder Atem! - Die Nacht ist etwas frisch, und ich wollte - doch jeder, der dies lieset oder nicht lieset, begreift nicht meine hohe Begeisterung, denn er kennt nicht den hohen Standpunkt, zu dem ich mich hinaufgeschwungen! - Hinaufgeklettert wäre richtiger, aber kein Dichter spricht von seinen Füßen, hätte er auch deren viere so wie ich, sondern nur von seinen Schwingen, sind sie ihm auch nicht angewachsen, sondern nur Vorrichtung eines geschickten Mechanikers. Über mir wölbt sich der weite Sternenhimmel, der Vollmond wirft seine funkelnden Strahlen herab, und in feurigem Silberglanz stehen Dächer und Türme um mich her! Mehr und mehr verbraust das lärmende Gewühl unter mir in den Straßen, stiller und stiller wird die Nacht - die Wolken ziehen - eine einsame Taube flattert in bangen Liebesklagen girrend um den Kirchturm! - Wie! wenn die liebe Kleine sich mir nähern wollte? - Ich fühle wunderbar es sich in mir regen, ein gewisser schwärmerischer Appetit reißt mich hin mit unwiderstehlicher Gewalt! - O käme sie, die süße Huldin, an mein liebekrankes Herz wollt' ich sie drücken, sie nimmer von mir lassen - ha, dort flattert sie hinein in den Taubenschlag, die Falsche, und läßt mich hoffnungslos sitzen auf dem Dache! - Wie selten ist doch in dieser dürftigen, verstockten, liebeleeren Zeit wahre Sympathie der Seelen. -

Ist denn das auf zwei Füßen aufrecht Einhergehen etwas so Großes, daß das Geschlecht, welches sich Mensch nennt, sich die Herrschaft über uns alle, die wir mit sichererem Gleichgewicht auf vieren daherwandeln, anmaßen darf? Aber ich weiß es, sie bilden sich was Großes ein auf etwas, was in ihrem Kopfe sitzen soll und das sie die Vernunft nennen. Ich weiß mir keine rechte Vorstellung zu machen, was sie darunter verstehen, aber so viel ist gewiß, daß, wenn, wie ich es aus gewissen Reden meines Herrn und Gönners schließen darf, Vernunft nichts anders heißt, als die Fähigkeit, mit Bewußtsein zu handeln und keine dumme Streiche zu machen, ich mit keinem Menschen tausche. - Ich glaube überhaupt, daß man sich das Bewußtsein nur angewöhnt; durch das Leben und zum Leben kommt man doch, man weiß selbst nicht wie. - Lebensansichten des Katers Murr nebst fragmentarischer Biographie des Kapellmeisters Johannes Kreisler in zufälligen Makulaturblättern. Herausgegeben von E.T.A. Hoffmann

Dachkater (2) Sein schwarzes Fell besitzt einen Glanz, wie ihn Haustiere haben, die viel draußen an der Luft sind. Der Kater gelangt durch ein Schlupfloch ins Freie. Sein Freies liegt über den Straßen zwischen Dächern und verwinkelten Altstadtmauern. Hier klettert er, ein schwarzes Tier, über Abzugsrinnen, hier streicht er Geländern entlang, springt auf Simse und von denen auf Balkone und streicht um Töpfe mit Geranien und Kräutern. In diesem Revier hausten einst Tauben. Der städtische Taubenvernichter hat die meisten geschossen und die Stelle unter einem Dachvorsprung, die als Schlag diente, vergiftet; ein paar flüchteten sich auf ein Hinterterrässchen, wo sie weitergurrten. Doch der Kater hat sich auf diesem Stück Flachdach den Mauern genähert, rückwärts gehend, den Schwanz erhoben, der wie der Hinterleib zitterte, als er Harn verspritzte. Im Windschatten eines Kamins zu Füßen einer Fernsehantenne liegt er, sanft gebuckelt in sein schwarzes Fell gekuschelt, in seinem runden Kopf rötliche Augen. Die Lider scheinen ihm vor Langeweile zuzufallen, doch plötzlich ortet er eine Geräuschquelle und aus seinen Ohrmuscheln schauen weiße Härchen hervor. Dann gehen durch das glatte schwarze Fell lautlose Bewegungen. Der Kater schleicht sich an, er läßt, die Hinterpfoten bis zum letzten Moment auf dem Kies, springt die Taube an und haut ihr die Säbel seiner Eckzähne ins Gefieder; er jagt das verwirrte Tier durchs offene Fenster ins Zimmer, wo der Vogel an die Decke stößt und der Wand entlang herunter fällt; der Kater wirbelt das Tier zwischen seinen Zähnen herum und springt dabei von einer Pfote auf die andere, rupft mit den Krallen an den Flügeln und beißt nach der piepsenden Gurgel. Bis der Katerbesitzer dem fauchenden Kater den Vogel aus den Krallen zerrt und die Taube auf den Balkon legt, wo sie sich röchelnd zu Tode flattert.  - (loe)

Dachkater (3)

Dachkater

- (grand)

Dachkater (4)

- Nicole Claveloux (Illustr. zu Confessions d'un monte-en-l'air)

Dach Katze
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