oup de foudre    An diesem Abend verliebte bzw. verknallte sich Herr Peter Jackopp in ein Fräulein Evamaria Czernatzke. Ich war auch dabei, aber weil ich mit einer oder mehreren anderen Damen scherzte und sogar Händchen hielt, habe ich das eigentlich überhaupt nicht richtig mitgekriegt. Ich erfuhr erst am Abend des nächsten Tages davon, vielleicht hat der Herr Jackopp aber auch erst am Tag darauf gemerkt, daß es die Liebe war. Dies ist einer der Punkte, über die ich nie ganz sicher bin, obwohl Herr Jackopp mehrfach und unnachgiebig behauptete, es sei »alles schlagartig« gekommen, und »so eine verfluchte Scheiße« habe er schon seit 1957 nicht mehr erlebt. Aber, wie gesagt, ich bin da überhaupt nicht sicher, denn, wie ich schon von früheren Erfahrungen her wußte, widerspricht sich Herr Jackopp häufig und bildet sich dann, was ganz schlimm und verheerend ist, völlig aufrichtig Sachen ein, die gar nicht wahr sind. - Eckhard Henscheid, Die Vollidioten. Ein historischer Roman aus dem Jahr 1972. Mit Zeichnungen der Originalschauplätze von F.K. Waechter. Frankfurt am Main 1979

Coup de foudre (2)  Da der Blitzschlag aus geheimem Überdruß an dem, was der Katechismus Tugend nennt, und aus der Langweile entspringt, die durch die Eintönigkeit der Vollkommenheit entsteht, so neige ich zu der Ansicht, daß er am häufigsten solche Männer trifft, die man in der Gesellschaft als Taugenichtse bezeichnet. Ich zweifle sehr, ob der gestrenge Cato je von einem Blitzstrahle getroffen wurde.

Der Blitzstrahl ist darum etwas Seltenes, weil er nur dann eintritt, wenn das Herz, das so im voraus liebt, nicht die geringste Ahnung von seinem Zustande hat.

Eine durch Unglück mißtrauisch gewordene Frau ist zu einer solchen Revolution der Seele nicht fähig.

Nichts fördert Blitzschläge mehr als das Lob, das eine Frau vorher und durch Frauenmund dem Manne zollen hört, den der Blitzstrahl treffen wird.

Eine der komischsten Quellen von Liebesabenteuern sind falsche Blitzschläge. Eine gelangweilte, aber nicht feinfühlige Frau glaubt eines Abends, sich für ihr ganzes Leben verliebt zu haben. Sie ist stolz, endlich eine jener großen Wallungen gefunden zu haben, nach denen ihre Seele so lechzte. Am anderen Tage ist sie ratlos, wo sie sich verstecken und wie sie dem Unglücklichen aus dem Wege gehen soll, den sie gestern angebetet hat. - (stend)

Coup de foudre (3)

Coup de foudre (4)   Die Liebe auf den ersten Blick ist Hypnose: ich bin von einem Bild fasziniert: zunächst erregt, elektrisiert, verwandelt, aufgewühlt, »betäubt«, wie es Menon von Sokrates war, dem Urbild aller Liebesobjekte, aller hinreißenden Bilder, oder gar von einer Erscheinung bekehrt, wobei der Pfad der Verliebtheit sich in nichts vom Weg nach Damaskus unterscheidet; später dann wie angeleimt, flachgedrückt, stillgestellt, mit der Nase am Bild (am Spiegel) haftend. In jenem Augenblick, da das Bild des Anderen mich zum ersten Male hinreißt, bin ich nichts anderes als das wunderbare Huhn des Jesuiten Athanasius Kircher (1646): mit zusammengebundenen Flügeln schlief es ein, wenn es mit den Augen einen Kreidestrich fixierte, der, wie ein Band, dicht vor seinem Schnabel entlanglief; wenn man ihm die Flügel losband, blieb es reglos, fasziniert liegen, »sich dem Besieger unterwerfend«, wie der Jesuit sagt; um es aber aus seiner Verzückung herauszureißen und die Macht seines Imaginären zu brechen (vehemens animalis imaginatio), genügte es, ihm einen leichten Schlag auf den Flügel zu versetzen; es schüttelte sich und begann wieder zu picken.   - (barthes)

 

Liebe Begegnung Blitz

 

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Verwandte Begriffe
Plötzlichkeit
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