- Eckhard Henscheid, Die Vollidioten. Ein historischer
Roman aus dem Jahr 1972. Mit Zeichnungen der Originalschauplätze von F.K.
Waechter. Frankfurt am Main 1979
Coup de foudre (2) Da der Blitzschlag aus geheimem Überdruß an dem, was der Katechismus Tugend nennt, und aus der Langweile entspringt, die durch die Eintönigkeit der Vollkommenheit entsteht, so neige ich zu der Ansicht, daß er am häufigsten solche Männer trifft, die man in der Gesellschaft als Taugenichtse bezeichnet. Ich zweifle sehr, ob der gestrenge Cato je von einem Blitzstrahle getroffen wurde.
Der Blitzstrahl ist darum etwas Seltenes, weil er nur dann eintritt, wenn das Herz, das so im voraus liebt, nicht die geringste Ahnung von seinem Zustande hat.
Eine durch Unglück mißtrauisch gewordene Frau ist zu einer solchen Revolution der Seele nicht fähig.
Nichts fördert Blitzschläge mehr als das Lob, das eine Frau vorher und durch Frauenmund dem Manne zollen hört, den der Blitzstrahl treffen wird.
Eine der komischsten Quellen von Liebesabenteuern sind falsche Blitzschläge.
Eine gelangweilte, aber nicht feinfühlige Frau glaubt eines Abends, sich
für ihr ganzes Leben verliebt zu haben. Sie ist stolz, endlich eine jener
großen Wallungen gefunden zu haben, nach denen ihre Seele so lechzte. Am
anderen Tage ist sie ratlos, wo sie sich verstecken und wie sie dem Unglücklichen
aus dem Wege gehen soll, den sie gestern angebetet hat. - (
stend
)
Coup de foudre (3)
Coup de foudre (4) Die
Liebe auf den ersten Blick ist Hypnose: ich bin
von einem Bild fasziniert: zunächst erregt, elektrisiert, verwandelt, aufgewühlt,
»betäubt«, wie es Menon von Sokrates war, dem Urbild aller Liebesobjekte, aller
hinreißenden Bilder, oder gar von einer Erscheinung bekehrt, wobei der Pfad
der Verliebtheit sich in nichts vom Weg nach
Damaskus unterscheidet; später dann wie angeleimt, flachgedrückt, stillgestellt,
mit der Nase am Bild (am Spiegel) haftend. In jenem Augenblick, da das Bild
des Anderen mich zum ersten Male hinreißt, bin ich nichts anderes als das wunderbare
Huhn des Jesuiten Athanasius Kircher (1646):
mit zusammengebundenen Flügeln schlief es ein, wenn es mit den Augen einen Kreidestrich
fixierte, der, wie ein Band, dicht vor seinem Schnabel entlanglief; wenn man
ihm die Flügel losband, blieb es reglos, fasziniert liegen, »sich dem Besieger
unterwerfend«, wie der Jesuit sagt; um es aber aus seiner Verzückung
herauszureißen und die Macht seines Imaginären zu brechen (vehemens animalis
imaginatio), genügte es, ihm einen leichten Schlag auf den Flügel zu versetzen;
es schüttelte sich und begann wieder zu picken. - (
barthes
)
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