Cirkus-Unhold    Was unholde im allgemeinen vor cirkus-besuchen in ihre aktenmappen tun, was die doppelten böden ihrer patentlederköfferchen vor ihren unliebsamen augen verbergen, was zufällige entdecker dieser inhalte mit grauen erfüllen muß.

Der unhold Vandelphi steigt in Antwerpen aus dem zug und sieht sich in den tageszeitungen um.

Was er mit sinistrem interesse in den letzten seiten sucht, wie er mit dem rücken zur wand des bahnhofsbuffets sitzt, wie er ihm auffällig scheinenden blicken zu entgehen sucht, wie er unauffällig ein glas bier trinkt.

Wie er in einem gedeckten fiaker dem aufbau eines berühmten cirkusses beiwohnt und sich notizen in geheimschrift macht.

Eine photographische gruppenaufnahme mit Rudolph Vandelphi auf einer wiese vor einem hôtel im canton Wallis.

Ein photographisches brustbild des Rudolph Vandelphi mit jetzt nicht mehr existierendem bart à la Kaiser; im hintergrund die schlecht gemalte darstellung des ausbrechenden Vesuvs.

Photographien von illustren unholden und solche von schulfeiern und erstkommunionen.

Ein benzinfeuerzeug und hutnadeln verschiedener größen in der vitrine des criminal-museums von Budapest.

Marouchka, dame ohne vertebra, und das unglaubliche erstaunen in ihren augen, die nun anderes sehen als strickleiter und strahlende cirkuskuppel.

Vandelphis notiz in flüchtig hingeworfener geheimschrift: wird sie Lahusen entziffern?

Er verkleidet sich als frau und redet eindringlich und halblaut vor den erleuchteten cirkus-portalen mit jungen arbeitermädchen.

Allerhand zeitungsannoncen, aus denen kein mensch klug wird; Lahusen denkt zwar, handelt aber nicht - schwer hängt der augusthimmel mit möglichkeiten und sternen.

Wer sah Marouchka O Brien vergangenen donnerstag zum letzten male lebend?

Selbst unholde sind hin und wieder bis zur lächerlichkeit naschhaft (s. dazu »Aus den Bekenntnissen eines Conditors«).

Rudolph Vandelphi trinkt ein weiteres bier und verschlingt eine tafel milchschokolade.

Das auftauchen eines zweiten unholds aus entgegengesetzter richtung.

Man beschließt, nicht gemeinsame sache zu machen, einander tunlichst aus dem wege zu gehen, im allgemeinen aber reinen mund über bereits erfahrenes zu halten.

Die affaire mit der toten seiltänzerin von Hoboken, das präparierte seil der Miranda Morton, »Der Fall mit dem Blasrohr im Cirkus Legrandi« ...   - H. C. Artmann, Der Unhold der Cirkusse, in: H. C. A., Unter der Bedeckung eines Hutes. Montagen und Sequenzen. Frankfurt am Main 1976

Zirkus Unhold

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