Chinesin   Mehr als jede andere will die chinesische Frau gekauft sein. Wie bei jedem chinesischen Handel ist die Rolle der Vermittler sehr groß, so groß, daß die Eroberung des begehrten Objekts, die schon durch die unabdingbaren Debatten reichlich abgeschwächt worden ist, mühselig zu einer bloßen Lieferung führt. - Der ungemeine Wert des Objekts besteht aber darin, im höchsten Grade exotisch zu sein. Es ist die phantastisch-erdenferne Übertragung von Gebärden, - die man wohl weiblich nennen muß, aber im weitgespanntesten Gegensatz zu den anderen. Die chinesische Schönheit will wohl anerkannt sein, jedoch in einer ganz anderen Welt als der unseren. Es ist Schönheit, unleugbar, und manchmal so hochfliegend, so fern, so piktural, so literarisch, daß jedes andere Gefühl vor jenem in den Hintergrund treten muß: einer seltsamen lebenden Stilisierung. Doch wie wenig führt sie zur körperlichen Umarmung. Es ist der strenge und keusche Triumph des Diversen. Die chinesische Frau nähert sich in keinem Wesenszug der unseren an: trotz der gegenwärtigen Versuche, besitzt die schöne Chinesin keine Gebärde, keine Wesensart, keinen einzigen Verhaltensmodus, der als Mode dienen könnte - und vor allem hat die chinesische Schönheit, hat das reine Muster chinesischer Schönheit, wie es seit der großen Malerei der T'ang sich in geronnener Form herauskristallisiert hat, nichts, was wir nachahmen oder entlehnen könnten. Nicht deswegen weil sie andersgeartet wäre, weil sie fremd und von Natur aus rar ist... Bei fast allen anderen Rassen stellen bestimmte Züge eine Verbindung her zwischen unserer geschlechtlichen Schönheit und der der anderen: jene über der Stirn plusternde Frisur, jene Augenbrauen in dem ovalen Gesicht waren durchaus japanisch, und doch konnte man sich in sie verlieben, auch bei uns...

Das struppig aufgelöste Haar einer schöne n Wilde n, die prächtige Körperhaltung, die Augen und die makellose Haut der Maori sind unvergeßliche Lektionen... aber die zeitgenössische Chinesin hat keine Lehre zu erteilen, hat ihrer Figurantin bei uns nichts zu übermitteln, - denn ist sie häßlich, so ist sie schamerfüllter als ein angegangenes Seehundweibchen, -ist sie hübsch, ist sie schon abgewandt vom Sexuellen, und wenn sie gar schön ist, den chinesischen Riten entsprechend, - schön jenseits allen gemeinsamen Maßes, dann sind ihre Wangen aus Firnis, ihre Augen erstarren, ihre Brust verschwindet keusch, ihr Bauch, man weiß nicht warum, wölbt und wiegt sich, keusch auch er, ihre mit fettem Emaille überzogenen Haare formen ein regloses Oval, ihr Mund ist klein, ganz klein, zu klein, zu rund... und vollkommen schön so... anscheinend...

Die gegenwärtige Mode schließlich neigte zum Einengen und wulstigen Abschnüren der Glieder. Es war wirklich nichts Weibliches mehr daran; und die besten Ausformungen, sogar im Sinne der Tradition, fand man nur mehr auf dem/Theater. Dort, in den alten Stücken, sah man die langen, welligen Jacken wieder, die Kleider mit den auf den Füßen hängenden Fransen und die lückenlose Arabeske, die ein Frauenkörper in die Lüfte zeichnet wie der Gedanke und das elastische Imaginäre sich einschreiben in den Geist... Nur wurden auf dem Theater, auf den besten Bühnen, diese Rollen eben gerade von Männern gespielt: von Knaben...   - Victor Segalen, Aufbruch in das Land derWirklichkeit. Frankfurt am Main und Paris 1984  (zuerst 1924)

Orientalin Chinese

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