harlatan Dem Charlatan muß daran gelegen sein, den disponierten Menschentyp, der seine Erfolgsgarantie bedeutet, zu standardisieren, er soll als Individuum so zahlreich vorkommen, daß er zur Masse wird. Er hatte also zu trachten, einem Durchschnittstyp so zur Überzahl zu verhelfen, daß dessen Wünsche, Meinungen, Zustimmungen und Ablehnungen zur realen Macht werden konnten. Da der Charlatan auf der Basis einer Wissenschaft, der Chemie, allerdings sie korrigierend, Gold machte, auf der Basis der Medizin, allerdings sie korrigierend, Wunderbalsame herstellte, so konnten nicht die Unwissenden, gegen alle Absurditäten dank ihres gesunden Menschenverstandes Mißtrauischen, die Masse seines Publikums ausmachen, sondern diejenigen, die sich bereits erfolglos mit dem Begriff von Wissenschaft und Bildung auseinandergesetzt hatten, die Halbgebildeten. Die waren sozusagen von dem Geist vor den Kopf gestoßen worden, ihnen war man Antworten schuldig geblieben, da sie Fragen stellten, auf die nur ein Narr Antwort erwarten kann, sie waren aus den Bereichen des Geistes zwar beleidigt, aber immer noch lüstern und voll Ressentiment abgezogen.

Das war die Gefolgschaft, die der Charlatan brauchte und die den Charlatan brauchte, da sie, Unfähige des Rationalen und Trunkene der Illusion, die ihrer Eitelkeit geschlagenen Wunden nur zu gerne mit dem linden Balsam des Irrationalen kurieren ließen ...

Anleihen ohne Quellenangabe bei der Wissenschaft zu machen, deren Glaubenskredit man sich zu Nutze macht und ihn zugleich erschüttert, das ist die charakteristische Methode für diejenigen, deren Wissen Halbwissen, deren Bildung Scheinbildung ist ... Und so erklärt sich der merkwürdige Widerspruch, daß die Erfolge und die Überlegenheit des Charlatans von seinen Anhängern und ihm selbst, wie später die Aufklärung formuliert, mit einem »neckenden Triumphton gegen Vernunft und Wissenschaft« unterstrichen wurden, während man auf jedem schäbigen Flugblatt zur Anpreisung eines Hühneraugenmittels doch wieder zur Beglaubigung und Vertrieb die Wissenschaft, Professoren neben Prinzen mit Attesten bemühte und sich durch diese Atteste imponieren ließ ...  - Aus: DIE MACHT DES CHARLATANS, von Grete de Francesco, 1937, nach (macht)