haos  In der babylonischen Schöpfungsgeschichte hieß das Chaos Tiamat, die Urmutter des Alls. Sie und andere frühe Götter verkörperten die verschiedenen Gesichter des Chaos. Zum Beispiel gab es einen Gott, der die grenzenlosen Weiten ursprünglicher Gestaltlosigkeit symbolisierte, und einen Gott, der Verborgene genannt, der die Unberührbarkeit und Nicht-wahrnehmbar keit darstellte, die in der Wirrnis des Chaos lauert. Die babylonische Einsicht, daß die Gestaltlosigkeit des Chaos doch verschiedene Gesichter haben könnte, mit anderen Worten eine Art impliziter Ordnung, mußte Tausende von Jahren warten, bis sie durch die moderne Wissenschaft wiederentdeckt wurde.

Die von der Turbulenzwissenschaft neu gefundene Einsicht in die Wechselbeziehung von Ordnung und Chaos ist ebenfalls eine uralte Idee. Die Schöpfer der babylonischen Mythen erzählten, daß Tiamat sehr zornig wurde, als sie ein Heer neuer Gestalten aus dem Chaos taumeln sah, die dem Universum Struktur gaben. Sie sah ihr herrlich unordentliches Reich schrumpfen. Um ihr turbulentes Territorium zurückzugewinnen, plante sie die Auslöschung all der Ordnung, die sie selbst geboren hatte. Tiamats gestaltlose Ungeheuer machten sich daran, alles zu terrorisieren, und sie hatten Erfolg, bis Marduk, der von ihr abstammte, sie besiegte und eine neue Ordnung schuf.  - John Briggs und F. David Peat, Die Entdeckung des Chaos. München 1990 (zuerst 1989)

Chaos (2) In unserer alten Sprache gibt es ein Wort für den hohlen Raum, das eigentlich nur soviel bedeutet, daß es »gähnt«: es ist das Wort Chaos. Für ein Gemisch, ein Durcheinander, gab es ursprünglich nicht einmal dieses Wort, das erst später, nach der Einführung der Lehre von den vier Elementen, die heute geläufige Bedeutung erhielt. So war auch das »Andere«, unten im Ei, kein unnatürliches Gemisch. Man erzählte diese Geschichte auch so, daß unten im Ei die Erde war und Himmel und Erde sich begatteten. Das war die Wirkung des Gottes, der beide ans Licht brachte und dann zur Vermischung zwang, des Eros. - (kere)

Chaos (3)

Chaos - Zeiten und Zonen
bluffende Mimikry,
großer Run der Äonen
in die Stunde des Nie -
Marmor Milets, Travertine,
hippokratischer Schein,
Leichenkolombine:
die Tauben fliegen ein.

Ebenbild, interniertes,
Erweichungsparasit,
Formen-onduliertes
lachhaft und sodomit
lobe -: die Hirne stümmeln
leck im Sursumscharnier,
den Herrn -: die Hirne lümmeln
Leichenwachs, Adipocire.

Bruch. Gonorrhoische Schwarten
machen das Weltgericht:
Waterloo: Bonaparten
paßte der Sattel nicht -
Fraß, Suff, Gifte und Gase -
wer kennte Gottes Ziel
anders als: Ausgang der Blase
erektil?

Fatum. Flamingohähne,
Geta am Darm kommod,
anderweit Tierschutzmäzene
kommt, ersticht ihn beim Kot -
Fraß, Suff, Seuchen und Stänke
um das Modder-Modell -
à bas die Kränke:
individuell.

Keine Flucht. Kein Rauschen.
Chaos. Brüchiger Mann.
Fraß, Suff, Säfte tauschen
ihm was Lebendes an,
mit im Run der Äonen
in die Stunde des Nie
durch der Zeiten und Zonen
leere Melancholie.

- (benn)

 Chaos (4)

Vor dem Meere, dem Land und dem alles deckenden Himmel
zeigte Natur in der ganzen Welt ein einziges Antlitz.
Chaos ward es benannt: eine rohe, gestaltlose Masse,
nichts als träges Gewicht und, uneins untereinander,
Keime der Dinge, zusammengehäuft in wirrem Gemenge.
Damals spendete nodi ihr Licht keine Sonne dem Weltall,
ließ kein neuer Mond im Wachsen erstehn seine Hörner,
schwebte noch nicht, ringsum von Luft umflossen, die Erde,
ausgewogen im gleichen Gewicht, und hatte den langen
Rand der Länder noch nicht umreckt mit den Armen das Weltmeer.
Und, wenn Erde darin auch enthalten und Wasser und Luft, so
war doch die Erde nicht fest und war das Wasser nicht flüssig,
fehlte der Luft das Licht. Seine Form blieb keinem erhalten:
Eines stand dem Andern im Weg, denn in ein und demselben
Körper lagen das Warme und Kalte, das Trockne und Feuchte,
Weiches und Hartes im Zwist und Schwereloses mit Schwerem.

-  (ov)

 Chaos (5)

- N. N.

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