Casanova Wir verbrachten häufig die Nächte damit, die verschiedenen Stadtviertel zu durchstreifen und alle erdenklichen Unverschämtheiten zu ersinnen und durchzuführen. Wir vergnügten uns damit, an der Wasserseite der Häuser die Gondeln loszubinden, die dann leer mit der Strömung des Wassers von einem Ufer des Canal Grande zum anderen getrieben wurden, und lachten im voraus über die Verwünschungen, mit denen die Gondolieri uns am Morgen bedenken würden, wenn sie ihre Gondeln nicht dort fanden, wo sie diese festgemacht hatten.

Häufig weckten wir Hebammen, ließen sie sich ankleiden und mitkommen, um Frauen zu entbinden, die sie bei ihrem Erscheinen für verrückt halten mußten. Den gleichen Streich spielten wir den berühmtesten Ärzten; wir störten ihre Nachtruhe, um sie zu Adligen zu schicken, die angeblich einen Schlaganfall erlitten hatten. Wir trieben auch die Priester aus ihren Betten, um durchaus gesunden Personen die letzte Ölung bringen zu lassen, weil sie angeblich im Sterben lagen.

Wenn wir in einen Glockenturm eindringen konnten, war es uns ein großer Spaß, die ganze Pfarre durch die Sturmglocke zu alarmieren, die bei einem Brand geläutet wird, oder auch alle Glockenseile abzuschneiden. - Casanova, nach: Zwiebel-Almanach 1998/99 (Wagenbach)

Casanova (2)   Wahrhaftig war es in dieser Situation (wohl wegen der Unausgefülltheit seiner Tage in Konstantinopel) an unserem Don Giacomo, zu suchen, zu warten und sich in Sehnsucht zu verzehren. Er versuchte sich zu widersetzen: ›Gibt es irgend jemanden, der noch nicht bemerkt hätte, daß die Trostlosigkeit von Suchen und Warten in keinem Verhältnis zu dem steht, wonach man sucht oder was man erwartet? Ich hätte nicht übel Lust, meine anderen Liebschaften in die Waagschale zu werfen, aber in der Türkei wiegt der geringste Zwischenfall schwer, weil er das Leben der Dame wie auch das eigene in Gefahr bringt. Von jeher habe ich getrachtet, die Frau davon zu überzeugen, daß ich sie nicht täusche; diese hingegen werde ich nie davon überzeugen können, daß ich sie nicht liebe. Auch reizt mich die Vorstellung, ihr zu erklären: Ich bin Casanova, der Schrecken aller Damen, deren Herzen ich gebrochen habe, so verheerend wie ein Feuersturm, den Scirocco und Mistral von Venedig bis Rom, von Ancona bis Rimini vor sich her trieben; aber so gewaltig er auch sein mag — wenn der jungen Dame mein Ruf gänzlich unbekannt ist, würde ich dann nicht schon alleine dadurch, daß ich selbst darüber spreche, in eine Art Großsprecherei verfallen, die nur dem Pöbel angemessen ist?‹ Wollte er damit sagen, daß jenes Mädchen, um dessentwillen er fast den Verstand verlor, ihn nur deshalb nicht fürchtete oder auch nur sonderlich respektierte, weil es ihr an Nachrichten mangelte, und daß er aus reinem Müßiggang die Rolle des beständigen und lammfrommen Liebhabers spielte, eine Rolle, die ihm im verhaßten Konstantinopel langsam zur zweiten Natur wurde? Mit welcher Inbrunst zog er in jenen Tagen über seine Geliebte her! ›Sie ist so ungebildet‹, behauptete er, >wie eine limousinische Bäuerin, und ebenso schlau und verlogen. Sie ist zänkisch wie ein Fischweib aus Chioggia und mit allen Wassern gewaschen wie eine Dirne aus Murano.‹ Nach einem hohl klingenden Auflachend fügte er hinzu: ›Bei ihr ist nichts sicher. Nicht einmal, daß sie mich mit den Dummköpfen vom Wochenende betrügt.‹ So sah ich denn diesen Mann, dessen Ausstrahlung nach seiner eigenen Einschätzung keine Frau widerstehen konnte und von dessen späteren Affären Ihr wahre Wunderdinge berichtet, vor Liebe zu Angélique Marie Ciaire Yolande Joséphine de Bonneval seufzen, die einen Deutschen heiratete und heute Mutter einer ganzen Horde draller Kinder ist.  - Adolfo Bioy Casares, Liebesgeschichten. Frankfurt am Main 1989
 
 

Menschen, wirkliche Liebhaber

 

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