apriccio, caprice, der Genre der Musik, welcher sich vom Niedrigkomischen der Burleske durch die Verschmelzung des Sentimentalen mit dem Witzigen unterscheidet. — Wiewohl der Humor immer mehr Eigentum des männlichen Geistes geblieben, so hat sich doch die junge Virtuosin, die Clara Wieck, mit vielem Glücke auch in dieser Gattung versucht. — Was Caprice im Leben ist, das erfährt der Mann durch die liebenswürdigen Frauen fast täglich. Sie ist die jüngere, holdere Schwester des Eigensinns, dessen ältere Starrköpfigkeit heißt. Sie hat es mehr mit dem Witze als mit dem Herzen zu tun, und Nachgiebigkeit dürfte sie gewiß in allen jenen Fällen entwaffnen, in denen Widerstand nichts fruchtet. - (conv)

Capriccio (2)  Erstes Kapitel
Zauberische Wirkungen eines reichen Kleides auf eine junge Putzmacherin. — Definition des Schauspielers, der Liebhaber darstellt. - Von der Smorfia italischer Mädchen. — Wie ein kleiner ehrwürdiger Mann, in einer Tulpe sitzend, den Wissenschaften obliegt und anständige Damen zwischen Maultierohren Filet machen. - Der Marktschreier Celionati und der Zahn des assyrischen Prinzen. - Himmelblau und Rosa. - Pantalon und die Weinflasche mit wunderbarem Inhalt.

Zweites Kapitel
Von dem seltsamen Zustande, in den geraten, man sich die Füße an spitzen Steinen wund stößt, vornehme Leute zu grüßen unterlaßt und mit dem Kopf an verschlossene Türen anrennt. - Einfluß eines Gerichts Makkaroni auf Liebe und Schwärmerei. — Entsetzliche Qualen der Schauspielerhölle und Arlecchino. - Wie Giglio sein Mädchen nicht fand, sondern von Schneidern überwältigt und zur Ader gelassen wurde. — Der Prinz in der Konfektschachtel und die verlorne Geliebte. - Wie Giglio der Ritter der Prinzessin Brambilla sein wollte, well ihm eine Fahne aus dem Rücken gewachsen. 

Drittes Kapitel
Von Blondköpfen, die sich erkühnen, den Pulcinell langweilig zu finden und abgeschmackt. - Deutscher und italienischer Spaß. -Wie Celionati, im »Caffè greco« sitzend, behauptete, er säße nicht im »Caffè greco«, sondern fabriziere an dem Ufer des Ganges Pariser Rappe. - Wunderbare Geschichte von dem König Ophioch, der im Lande Urdargarten herrschte, und der Königin Liris. - Wie König Cophetua ein Bettelmädchen heiratete, eine vornehme Prinzessin einem schlechten Komödianten nachlief, und Giglio ein hölzernes Schwert ansteckte, dann aber hundert Masken im Korso umrannte, bis er endlich stehenblieb, weil sein Ich zu tanzen begonnen.

Viertes Kapitel
Von der nützlichen Erfindung des Schlafs und des Traums, und was Sancho Pansa darüber denkt. — Wie ein württembergischer Beamter die Treppe hinabfiel und Giglio sein Ich nicht durchschauen konnte. Rhetorische Ofenschirme, doppelter Galimathias und der weiße Mohr. — Wie der alte Fürst Bastianelli di Pistoja Apfelsinenkerne in dem Korso aussäete und die Masken in Schutz nahm. Der beau jour häßlicher Mädchen. — Nachrichten von der berühmten Schwarzkünstlerin Circe, welche Bandschleifen nestelt, sowie von dem artigen Schlangenkraut, das im blühenden Arkadien wachst. — Wie sich Giglio aus purer Verzweiflung erdolchte, hierauf an den Tisch setzte, ohne Zwang zugriff, dann aber der Prinzessin eine gute Nacht wünschte.

Fünftes Kapitel
Wie Giglio in der Zeit gänzlicher Trockenheit des menschlichen Geistes zu einem weisen Entschluß gelangte, den Fortunatussäckel einsteckte und dem demütigsten aller Schneider einen stolzen Blick zuwarf. — Der Palast Pistoja und seine Wunder. - Vorlesung des weisen Mannes aus der Tulpe. — König Salomo, der Geisterfürst und Prinzessin Mystilis. - Wie ein alter Magus einen schwarzen Schlafrock umwarf, eine Zobelmütze aufsetzte und mit ungekämmtem Bart Prophezeiungen vernehmen ließ in schlechten Versen. — Unglückliches Schicksal eines Gelbschnabels. — Wie der geneigte Leser in diesem Kapitel nicht erfährt, was sich bei Giglios Tanz mit der unbekannten Schönen weiter begeben.

Sechstes Kapitel
Wie einer tanzend zum Prinzen wurde, ohnmächtig einem Charlatan in die Arme sank und dann beim Abendessen an den Talenten seines Kochs zweifelte. - Liquor anodynus und großer Lärm ohne Ursache. — Ritterlicher Zweikampf der in Lieb' und Wehmut versunkenen Freunde und dessen tragischer Ausgang. — Nachteil und Unschicklichkeit des Tabakschnupfens. - Freimaurerei eines Mädchens und neu erfundener Flugapparat. — Wie die alte Beatrice eine Brille aufsetzte und wieder herunternahm von der Nase.

Siebentes Kapitel
Wie einem jungen artigen Menschen auf dem »Caffè greco« abscheuliche Dinge zugemutet wurden, ein Impresario Reue empfand und ein Schauspielermodell an Trauerspielen des Abbate Chiari starb. - Chronischer Dualismus und der Doppelprinz, der in die Quere dachte. — Wie jemand eines Augenübels halber verkehrt sah, sein Land verlor und nicht spazieren ging. — Zank, Streit und Trennung.

Achtes Kapitel
Wie der Prinz Cornelia Chiapperi sich nicht trösten konnte, der Prinzessin Brambilla Samtpantoffel küßte, beide dann aber eingefangen wurden in Filet. — Neue Wunder des Palastes Pistoja. — Wie zwei Zauberer auf Straußen durch den Urdarsee ritten und Platz nahmen in der Lotosblume.— Die Königin Mystilis. - Wie bekannte Leute wieder auftreten und das Capriccio, Prinzessin Brambilla genannt, ein fröhliches Ende erreicht.  - E. T. A. Hoffmann, Prinzessin Brambilla. Ein Capriccio nach Jakob Callot. Frankfurt am Main 1967, zuerst 1820

Capriccio (3) 

Hinter kalten, hochmütigen Augen ruht, unter dem kahlen Schädeldach,
dieses bleiche Gewebe, empfindlich, ein elektrischer Teig.
Capricci der Evolution. Siehe z.B. den Narwal. Er hat zwei Zähne:
Winzig der eine, der andere, immer der linke, wächst schraubig
und wächst, meter- und meterlang; Rillen und Grate
schmücken ihn, links gewendelt, immer nur links.

Der Skarabäus, das Einhorn, der Mammut: lauter Chimären.
Oder nimm dieses Raubtier: den Grandseigneur, der mit dreizehn die Achseln zuckt
über Rebhühner, Windhunde, Fuchsjagden; wendet seiner Klasse den Rücken
und die Augen der Sonne zu, die sich verfinstert. Unruhe, Spleen,
Luxus der Präzision: Quer durch Europa tragen ihm seine Diener
einen Quadranten nach; zwölf Meter Durchmesser, Eiche und Messing.

Reibt sich die Nase, verstümmelt durch ein Duell, bei dem es um mathematische Streitfragen ging: ein goldenes Artefakt. Reibt sein rötliches Fleisch an einer Bauernmagd: elf Bastarde. Keine Zeit für die Liebe. Stattdessen abstrakte Beute: Wissen um jeden Preis.

- Hans Magnus Enzenberger, Tycho Brahe. Nach: H.M.E., Die Elixiere der Wissenschaft. Frankfurt am Main 2002

Capriccio (4) 

Capriccio

So will ich sterben:
Dunkel ist es. Und es hat geregnet.
Doch du spürst nicht mehr den Druck der Wolken,
Die da hinten noch den Himmel hüllen
In sanften Sammet.
Alle Strassen fliessen, schwarze Spiegel,
An den Häuserhaufen, wo Laternen,
Perlenschnüre, leuchtend hängen.
Und hoch oben fliegen tausend Sterne,
Silberne Insekten, um den Mond -
Ich bin inmitten. Irgendwo. Und blicke
Versunken und sehr ernsthaft, etwas blöde,
Doch ziemlich überlegen auf die raffinierten,
Himmelblauen Beine einer Dame,
Während mich ein Auto so zerschneidet,
Dass mein Kopf wie eine rote Murmel
Ihr zu Fussen rollt...

   - Alfred Lichtenstein, nach: Anthologie der Abseitigen. Hg. Carola Giedion-Welcker. Frankfurt am Main 1990

Witz Caprice Geschichten Musik
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Synonyme