1. Der Exhibitionist stellt sich gespreizt am Vorhang
auf Tsingtara! Da ist ein langes Blasinstrument. Am Eingang sitzt die ölige Camödine. 2. Von dem gespitzten Ohr des Esels fängt die Fliegen In hohen Luftgeleisen, wo sich enharmonisch Der Exhibitionist, der je zuvor den Vorhang |
- Hugo Ball, nach: Nautilus Literarischer Taschenkalender
1988. Hamburg 1987
Cabaret (2)
Cabaret I. Auf das Gesuch des Negers schwieg die große Huppe O Vielgetön eisgelb geschwollener Sardinen! O Reitpferd Franz! Cönakelhafte Wanze! II. Die lilafarbene Pagodentrommel scheppert schief. Die Brüder Moll und Jebby blasen auf der Okarina. |
Cabaret (3)
Cabaret (4)
Was ist der Mensch? Was sehr Natürliches sagen die
Einen. Nee, was ganz Künstliches, die Andern. Ich meine, der Mensch ist so 'ne
bessere Art Marionette, die vom — Milieu gespielt
wird, von der Atmosphäre, die der Mensch sich selbst schafft. Ach Gott, Quatsch,
das Leben ist ein bald lustiger, bald trauriger Unsinn — und das Kabarett ist
so etwa ein größerer Taschenspiegel. Alles spiegelt sich drin — ganz gut könnte
man den Begriff Mensch als Kabarettnummer beinahe mechanisch darstellen. Das
Kabarett zum Menschen, das wäre so'ne Art Eisenkäfig in zwei Etagen, mit einem
Hometrainer, einem Motorrad in der ersten und einer Leitspindeldrehbank und
Stanzmaschine in der zweiten Etage. Dazu käme noch 'n Föhnapparat und ein Waschkorb
mit ganz, ganz winzigen Zettelchen, auf denen gedruckt steht: Seele.
Damit kann man den ganzen Innerlichkeitshokuspokus, der sich Menschsein heißt,
glänzend darstellen. Was ist denn weiter groß am Menschen dran; das Milieu kurbelt
so'n bißchen den Seelenmotor an, und haste nich' jeseh'n — geht die Chose los:
Schiebung, Mord, Ehebruch, Geburt, Hochzeit, Tod Na, und denn stoppt die Geschichte
wieder. Na also. Aber um auf das Kabarettstück zurückzugelangen: mit diesen
Apparaten kann man den ganzen Seelenapparat verdeutlichen, so daß jeder sieht:
des biste. In der ersten Etage des Käfigs setzt sich ein Fahrer auf das Motorrad,
oben stellt sich je ein Mann an die Maschinen. Ein Herr in Smoking und weißer
Binde erscheint vor dem Käfig und sagt feierlich: Meine Damen und Herren! Wir
werden Ihnen innerhalb von drei Minuten zeigen, wie der Mechanismus der Seele
funktioniert. Sie erhalten ein kurzes, schlagendes Exempel Ihrer eigenen inneren
Aufwendungen, Ihres Ringens. Dann ertönt ein Pfiff: und mit gewaltigem Gepuff
und Geknatter, Gestöhne und Funkenstieben rast der Motorfahrer los, die Stanzmaschine
stampft, die Leitspindeldrehbank surrt und knirscht: an ihnen arbeiten heftig
die beiden Monteure. Das Publikum muß deutlich sehen, daß der ganze Salat unnütz
ist, das ganze Gerassle und die ganze Rumfuhrwerkerei hat nicht den mindesten
Sinn!! — Nach 3 Minuten ertönt ein Trillerpfiff: alles stoppt ab. der Föhnapparat
tritt in Aktion und pustet die zehntausend Zettelchen mit dem Aufdruck: Seele!
über das gesamte Publikum. Wer dann noch nicht begriffen hat, daß der Mensch
wirklich so ist, nichts weiter, ein leerlaufender Unsinn: na, der kann mir leid
tun! Der verdiente gar nicht die Segnungen unserer Zeit und Kultur, Ziegenbrühwürstchen
(wenn Ihnen Ihr Hund gestohlen wurde, inserieren Sie nicht: kaufen Sie sich
ein Paar Frankfurter!) Leberwurst, Spickgans mit Sekt — nee, der müßte direkt
zur Strafe Präsident von Deutschland werden! So, dà haben Sie 's! -
Raoul Hausmann in: Schall und Rauch, Februar 1920
Cabaret (5)
Das Vorstadtkabarett Verschweißte Kellnerköpfe ragen in dem Saal Und ferne Frauen sind so sehr erregt ... Die meisten Menschen trinken gelbes Bier. |
- Alfred Lichtenstein, nach: Dich süsse Sau nenn ich die Pest von
Schmargendorf
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Erotische Gedichte des Expressionismus. Hg. Hartmut Geerken. München 1985
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