BWL    Am fünfzehnten Januar war die Bilanz endlich abgeschlossen. Sie enthüllte eine wahre Katastrophe. Das halbe Geschäftskapital war verloren. Um keinen Preis wollte Guido die Bilanz dem jungen Olivi zeigen, dessen Indiskretion er fürchtete. Ich aber bestand darauf, in der Hoffnung, daß er einen Fehler finden könnte, der die Sachlage retten würde. Der Junge hatte Praxis. Es konnte möglich sein, daß ich einen Betrag, der auf die Sollseite gehörte, fälschlich unter «Haben» gebucht hatte. Eine solche Korrektur hätte die Bilanz um vieles freundlicher gestaltet. Olivi versprach lächelnd, die strengste Diskretion zu wahren. Einen ganzen Tag lang arbeitete er mit mir auf's intensivste. Unglücklicherweise fand er keinen einzigen Fehler. Ich lernte viel aus dieser Revision, die wir zu zweit vornahmen. Heute könnte ich wahrscheinlich schwiergere Bilanzen als diese aufstellen und abschließen.

Ehe der ernste Jüngling fortging, fragte er:

«Also, was wollt ihr jetzt machen?» Ich wußte gleich, was er im Sinne hatte. Als ich noch jung war, unterhielt sich mein Vater oft mit mir über diverse kommerzielle Fragen und erzählte mir unter anderem, was man in solchen traurigen Fällen, wie dem unseren, zu tun hat: wenn es sich um den Verlust des halben Kapitals handelt, muß man die Firma liquidieren, sei es auch nur zu dem Zwecke, um sie sofort auf neuer Basis aufzubauen. Ich ließ also den jungen Olivi in diesem Sinn seine Vorschläge machen. Am Ende sagte er:

«Es handelt sich ja wirklich nur um eine Formalität.«   - Italo Svevo, Zeno Cosini. Reinbek bei Hamburg 1997

BWL (2)  San Quentin ist überfüllt; infolgedessen gibt es nicht genug Jobs für alle, und man muß sich seinen }ob verdienen. Freddy arbeitete gern (wenn er arbeitete), und er war tüchtig. Als er nach mehreren Monaten des Müßigganges zum Dienst in der Küche eingeteilt worden war, hatte er sich den Betrieb dort aufmerksam angesehen. Sodann hatte er ein zehnseitiges Memorandum an die Anstaltsleitung geschickt und detailliert erläutert, wie das Personal reduziert und der Service verbessert werden könnte, wenn bestimmte Vollzugsbeamte und Gefängnisköche entlassen beziehungsweise ausgewechselt würden. Zu seiner Überraschung hatte er sich tags darauf im Hof wiedergefunden.

Sein Bericht, der einem Studenten der Betriebswirtschaft eine Zwei plus eingebracht hätte, trug Freddy die Feindschaft mehrerer Kantinenmitarbeiter ein. Diese Beamten mit ihren soliden Verbindungen zur Machthierarchie unter den Gefangenen entschieden, daß man Freddy für seine Keckheit eine Lektion erteilen müsse. Eines Nachmittags drängten zwei schwarze Gefangene Freddy in eine Ecke und nahmen ihn sich vor. Als die Hofaufsicht den Fall untersuchte, sagten sie aus, Freddy habe sie grundlos angefallen, und sie hätten lediglich versucht, sich gegen seinen psychopathischen und rassistischen Angriff zu verteidigen. Da Freddy sich in den einschlägigen Tests als Psychopath und als Soziopath erwiesen hatte (wie die beiden anderen Gefangenen übrigens auch), steckte man ihn wegen seines unprovozierten Überfalls auf zwei unschuldige Gefängnisinsassen für sechs Tage ins Loch. Der schwarze Hofaufseher erteilte ihm überdies eine kurze Lektion in Rassismus.

Während der sechs trostlosen Tage im Loch, wo man ihm auch die Raucherlaubnis entzogen und seinen Speiseplan auf Wasser und Brot und einen Teller rote Bohnen alle drei Tage reduziert hatte, ließ Freddy sein Leben an sich vorüberziehen, und er begriff, daß der Altruismus sein Hauptfehler gewesen war. - Charles Willeford, Miami Blues. Reinbek bei Hamburg 1994

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