utter Ich steckte ein Schnipsel von einem Kongreßfaltblatt in ein Scheibchen Butter, zündete das Papier mit einem Streichholz an und gewann somit eine Kerze, wenn sie auch rußte. In ihrem Schein setzte ich mich in den Lehnstuhl, ich hatte ja noch mehr als zwei Stunden Freizeit. (Eine davon benötigte ich allerdings zur Treppenwanderung, falls der Lift gestört blieb.) Mein Gemütszustand durchlief weitere Schwankungen und Wandlungen, die ich mit lebhaftem Interesse beobachtete. Mir war vergnügt zumute, schlechtweg köstlich. Im Nu konnte ich Unmengen von Argumenten zum Lob der eingetretenen Sachlage aufzählen. Für einen der feinsten erdenklichen Plätze der Welt hielt ich allen Ernstes ein Hilton-Appartement voll Qualm und Ruß aus einem Butter-stümpfchen, inmitten ägyptischer Finsternis, ohne Verbindung zur Außenwelt und mit einem Telefon, das Märchen erzählt. Ferner verspürte ich den übermächtigen Wunsch, dem erstbesten Mitmenschen die Haare zu streicheln oder zumindest seine Bruderhand zu drücken und ihm dabei tief in die Augen zu schauen.
Dem grimmigsten Feind hätte ich die Wangen abgeschmatzt. Die Butter schmolz,
prasselte und rauchte; einmal ums andere erlosch sie. - Meine Butter wird immer
kaputter - dieser Reim versetzte mich in einen Lachkrampf, obwohl ich mir indessen
mit den Streichhölzern die Finger versengte, als ich wieder einmal den Papierdocht
anzuzünden suchte. Das Butterlicht gloste kaum, ich aber summte halblaut Arien
aus alten Operetten und achtete nicht darauf, daß mich der Qualm im Hals würgte
und daß mir Tränen aus den entzündeten Augen über die Wangen rollten. Als ich
aufstand, stolperte ich über einen Koffer und plumpste der Länge nach hin. Doch
auch die eigroße Beule, die meiner Stirn entsproß, steigerte meinen Frohsinn
(wenn eine Steigerung noch möglich war). Ich lachte, halb erstickt vom stinkenden
Rauch, der gleichfalls nichts gegen meinen Freudentaumel vermochte. Ich legte
mich aufs Bett; seit dem Morgen stand es ungebettet, obwohl der Mittag längst
vorüber war. Des Personals, das solche Nachlässigkeit bewies, gedachte ich wie
leiblicher Kinder: außer zärtlichen Koseworten und Verkleinerungen kam mir nichts
in den Sinn. - Selbst wenn ich hier ersticken sollte - so durchblitzte es mich
-, dann wäre dies die vergnüglichste, netteste Todesart, die ich mir wünschen
könnte. - Diese Feststellung widerstritt so sehr meinem ganzen Naturell, daß
sie auf mich wie ein Wecksignal wirkte. Mein Geist spaltete sich seltsam entzwei.
Weiterhin erfüllte ihn abgeklärte Helligkeit, allumfassendes Wohlwollen; die
Hände aber waren so begierig, irgendwen zu liebkosen, daß ich aus Mangel an
außenstehenden Personen mir selber sacht die Wangen zu streicheln und neckisch
die Ohren zu zupfen begann; auch reichte ich viele Male die rechte Hand der
linken, um beide kräftig zu drücken. Selbst in den Beinen zappelten mir zärtliche
Gebärden.
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Stanislaw Lem, Der futurologische Kongress. Frankfurt am Main 1996
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