uße
Anno 1427 kamen solcher Zigeuner 12 gen
Paris, der eine war ein Hertzog (wie sie fürgaben) ond der ander ein Graff,
die obrigen 10 waren alle zu Pferd, gaben sich für gar gute Christen auß und
sagten, sie kommen auß Egypten, ond were nicht lang,
daß sie von den Christen bezwungen worden, also daß jhr gantz Land jetzt zum
Christen Glauben kommen. In solcher Bekehrung ließ man jhnen ein König ond Königin,
mit dem Geding, daß sie in dem Christen Glauben steiff und vest bleiben sollen.
Aber sie wurden von den Caracenen oberfallen, ond vom wahren Glauben verführt,
welches als der Teutsche Keyser und König in Polen vernommen, hat er also bald
die Abtrünnigen oberzogen, ond sie auß dem Land verschickt doch dß sie widerumb
dareyn solten kommen, wenn sie von dn Bapst zu Rom erlaubniß ond jres Abfalls
halben verzeyhung haben wurden. Als sie nun samptlich gen Rom kommen, ond der
Bapst jre Beicht angehört, hat er jnen zur Buß aufferlegt, daß sie 7 jahr an
einander nach in der Welt herum in Armut ziehen, ond auff keinem Bett ligen
sollten. Der Bapst ordnete auch dz jnen ein jeder Bischoff solte 10 Francken
geben. Nun waren diese Zygeuner allbereit schon 5 jahr in d'Welt herum gezogen,
eher sie gen Pariß kämmen. Obgedachte 12 Zygeuner hatte bey sich in die 80 Weib
ond Kind, ond sagten, es seyen jrer 1000 oder 1200 gewesen, weren also die obrigen,
sampt dem König und der Königin onder wegen gestorben. Man wolt sie aber zu
Pariß nicht eynlassen, sondern man losiert sie gen S. Denis. Hatten silberne
Ring an jren Ohren hangen: waren von Leib ganz schwartz, hatten krause schwartze
Haar, onflätige Angesicht, trugen an stat jhrer Kleyder ein alte Decke, ober
den Achßlen zusammen gebunden: waren treffliche Zauberer,
ond gaben für, sie kondten weissagen, damit sie denn auch groß Onglück erhebten,
ond sagten: dein Weib hat dieses gethan, ond dein Mann hat jenes gethan; sie
leerten den Leuten die Seckel mit onbegreifflicher Behendigkeit. Als solches
der Bischoff von Pariß vernommen, hat er ein Prediger mit sich genommen, derselbe
that zu S. Denis ein treffliche Predigt, ond excommuniciert alle diejenigen,
die sich zu den Zygeunern gesellet, ond ihnen lassen wahr sagen: darnach wurden
die Zygeuner vertrieben. Anno 1561 als die Ständ zu Orliens beysammen gewesen,
war ein Mandat, an alle Amptleut, durch das gantze Königreich geschrieben, daß
man solche Zygeuner innerhalb 2 Monat auß allen Provintzen schaffen, ond vertreiben
solte, ond wo sie nicht weichen wurden, solte man sie an die Geleren schmiden
oder sonsten am Leben straffen. Volaternus vermeynt, diese Leuth seyen erstlichen
aus Persien kommen: sonsten ist es gewiß, daß es ein verrucht, Zauberisch, Mörderisch
ond Diebisch, verloffen Gesind, welchs in keinem Land zu dulden, sondern mit
äußerstem Ernst zu vertreiben ist.
- Stephane
Pasquier, nach (ave)
Buße (2)
Buße
(3) Ich sah einen Urdhva Bahu am Dasaswamedh-Ghat, einen
Büßer mit hochgerecktem Arm. Vor zehn Jahren begann er
seine Buße, indem er den rechten Arm an einen Balken der Decke festbinden ließ;
er selbst saß dabei angeschnallt auf einem Stuhl. Die Adern wurden abgebunden
und so der Blutlauf gehemmt; allmählich erstarb dann das Leben des Armes. Die
Sehnen verwuchsen, das Fleisch verschrumpfte. Natürlich litt der Mann entsetzliche
Qualen, die nur durch die Bewunderung der ihn stets umgebenden Menge etwas gelindert
wurden. Als der Arm steif und starr senkrecht in die Höhe ragte wie ein Stock,
war die Vorbereitung zu Ende; seither läuft er nun so als Heiliger durch die
Stadt — zu Ehren Schiwas. Etwas Leben ist immer noch in dem Knochenarme, das
beweisen die Nägel der geballten Faust: sie sind durch das Fleisch der Handfläche
gewachsen und ragen als lange Krallen auf der andern
Seite wieder heraus. - Hanns Heinz
Ewers, Indien und Ich. München 1918 (zuerst 1911)
Buße (4)
Buße
(5) Woher die Dinge ihre Entstehung haben, dahin müssen
sie auch zugrunde gehen, nach der Notwendigkeit; denn sie müssen Buße zahlen
und für ihre Ungerechtigkeiten gerichtet werden, gemäß der Ordnung der Zeit.
- Anaximander, nach: Friedrich Nietzsche, Die Philosophie im tragischen
Zeitalter der Griechen.
Buße (6) Ich bin ziemlich viel in Concord herumgekommen und überall, in den Läden, den Schreibstuben und auf dem Feld, schienen mir die Einwohner auf tausenderlei merkwürdige Weise ihre Sünden abzubüßen. Was man so hört von Brahmanen, welche sich der Hitze von vier Feuern aussetzen und der Sonne ins Antlitz schauen, die sich mit dem Kopf nach unten über Flammen hängen, über ihre Schulter nach dem Himmel blicken, »bis es ihnen unmöglich wird, wieder ihre natürliche Stellung einzunehmen, während infolge ihres verdrehten Halses nur Flüssigkeiten in den Magen gelangen können«, die an einen Baum angekettet ihr Leben verbringen, auf dem Bauche kriechend, wie Raupen, weite Reiche durchmessen oder mit einem Bein auf der Spitze einer Säule stehen - selbst diese Ausdrucksformen bewußter Reue sind kaum unglaublicher und erstaunlicher als, die Szenen, deren Zeuge ich täglich bin. Die zwölf Arbeiten des Herkules sind Kleinigkeiten im Vergleich mit denen, welche meine Nachbarn unternehmen; denn jene waren nur zwölf und sie hatten ein Ende; aber ich konnte noch nie bemerken, daß diese Leute ein Ungetüm einfingen oder eine Arbeit zu Ende brachten. Sie haben keinen Freund Jolaos, der mit glühendem Eisen die Hälse der Hydra versengt, sondern sobald ein Kopf zerschmettert ist, wachsen zwei neue nach.
Ich sehe junge Leute, meine Mitbürger, deren Unglück es ist, Güter, Häuser,
Scheunen, Vieh und Ackergeräte geerbt zu haben; denn solche Dinge sind leichter
zu haben, als wieder loszuwerden. Besser wären sie
auf offener Weide geboren und von einer Wölfin gesaugt worden, dann hätten sie
mit klareren Augen gesehen, in welchem Feld zu arbeiten sie berufen sind. Wer
machte sie zu Sklaven des Bodens? Warum sollen sie ihre 60 Morgen Land verzehren,
wenn der Mensch doch nur dazu verdammt ist, sein Häufchen Schmutz zu essen?
Warum sollen sie anfangen ihr Grab zu graben, kaum daß sie geboren sind?
- Henry David Thoreau, Walden oder Leben in den Wäldern.
Zürich 1979 (zuerst 1854)
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