Bulli  Um auf den Drachen zurückzukommen, möchte ich sagen, daß ich ihn vor zwei Jahren zum erstenmal die Rue Cambronne in Paris heraufkommen sah, er wurde ganz frisch vom Autohändler gebracht, und als ich ihn vor mir hatte, sah ich sein großes rotes Gesicht, die tiefsitzenden glühenden Augen, diesen halb verschlagenen, halb draufgängerischen Ausdruck, bei mir machte es klick, und schon war er der Drache, und nicht nur irgendein Drache, sondern Fafnir, der Wächter des Nibelungenschatzes, der nach der Sage und nach Wagner dumm und pervers gewesen sein mag, für den ich aber immer eine geheime Sympathie hegte, und sei es nur, weil er dazu verdammt war, durch Siegfrieds Hand zu sterben, und so etwas verzeihe ich den Helden nicht, so wie ich schon vor dreißig Jahren Theseus nicht verzeihen konnte, daß er den Minotaurus getötet hatte. Erst jetzt bringe ich die beiden Dinge miteinander in Verbindung, an jenem Nachmittag war ich zu sehr mit den Problemen beschäftigt, die mir der Drache in Sachen Schalthebel und bezüglich seiner weit über die Höhe und Breite meines Ex-Renaults hinausgehenden Ausmaße bereiten würde, doch es ist ziemlich klar, daß ich dabei demselben Impuls gehorchte, nämlich diejenigen zu verteidigen, die von der etablierten Ordnung als Ungeheuer definiert und so bald wie möglich ausgemerzt werden.

In zwei oder drei Stunden freundete ich mich mit dem Drachen an, sagte ihm klar und deutlich, daß er für mich nicht mehr Volkswagen hieß, und die Poesie war wie immer pünktlich zur Stelle, denn als ich in die Werkstatt ging, wo man das endgültige Kennzeichen anbringen sollte, brauchte ich den Mechaniker zum Schluß nur ein großes F auf sein Hinterteil kleben zu sehen, um die Wahrheit bestätigt zu finden; natürlich kann man einem französischen Automechaniker nicht sagen, daß dieser Buchstabe nicht Frankreich, sondern Fafnir bedeutet, aber der Drachen wußte es und bekundete mir auf dem Rückweg seine Freude, indem er zum hellen Entsetzen einer mit Gemüse beladenen Frau hurtig auf den Bürgersteig kletterte.  - Julio Cortázar, Carol Dunlop: Die Autonauten auf der Kosmobahn. Frankfurt am Main 2014 (BS 2481, zuerst 1983)

Bulli (2) »Die Firma unterhält zur Zeit fünf VW-Busse in der Bundesrepublik und einen in West-Berlin. Jedes Fahrzeug ist besetzt mit einer männlichen und einer weiblichen Hilfskraft. So fuhr vor Jahren der Seniorchef mit der Seniorchefin im ersten VW-Bus über die Lande, und das Prinzip, ein Mann, eine Frau, soll auch während der allmählichen Ausweitung des Unternehmens beibehalten werden, weil es sich bewährt hat. Mit der ersten Erhöhung der Fahrzeuganzahl wurde gleichzeitig ein Verteiler- und Anlaufkreis geschaffen, in verschiedenen kleinen und mittleren Städten der Bundesrepublik. Es ist uns gelungen, in diesen Kreis linke oder sonstwie fortschrittlich geltende Gruppen einzubeziehen. Mit Hilfe dieses Verteilerkreises nun war es möglich, die Ausnutzungskapazität der Fahrzeuge auf durchschnittlich drei Vorgänge pro Tag und Fahrzeug zu steigern. Das ist, bei einer Fünf-Tage-Woche, gleichbedeutend mit einem monatlichen Umsatz von über zweihunderttausend Mark. Nach sorgfältiger Marktanalyse ist die Firmenleitung nun zu dem Schluß gekommen, daß der Zeitpunkt für eine weitere und großzügige Ausweitung des Unternehmens günstig ist. Es ist an die Einstellung eines hochqualifizierten Betriebswirts gedacht. Umfangreiche Personal- und Sachinvestitionen, scharf kalkulierte Preise und Qualität der Ausführung jedes einzelnen Vorgangs können dann den bisher bescheidenen Marktanteil der Firma — Sie wissen, man rechnet mit bis zu einer Million Vorgänge pro Jahr im Gebiet der Bundesrepublik allein — erheblich vergrößern, ja, den Einbruch in das internationale Geschäft ermöglichen. Warum sollen die Holländer und Engländer den deutschen Markt beherrschen. Sehen Sie, das ist die Grundidee. Bisher war unser Personal fachlich nicht immer genügend ausgebildet, die Instrumente waren häufig unzulänglich ...«

»Hat es Todesfälle gegeben?« fragte Frau Boncceur bedächtig.

Schulz legte beide Hände nebeneinander auf den Aktenkoffer.

»Ich würde das nicht so formulieren.«

»Also ja.«

»Aber gnädige Frau. Natürlich nicht. Außerdem, um jedes Risiko auszuschalten, werden wir ja künftig mit Vakuumpumpen arbeiten und mit ausgebildeten Krankenschwestern und Pflegern. Wir werden unsere Mitarbeiter in Holland schulen lassen. Wir werden dann mühelos auf sechs bis acht Vorgänge pro Tag kommen. Ein ärztlicher Notdienst für schwierige Fälle soll eingerichtet werden. Und die Anzahl der Fahrzeuge soll auf zunächst fünfzig, dann hundert aufgestockt werden. All das ist in einem Expos£ niedergelegt, das von der Firmenleitung ausgearbeitet wurde.«

Schulz schlug leicht auf den Aktenkoffer.

»Das Exposö enthält auch präzise Angaben über Verzinsung, Rendite und Organisation. Um staatlicherseits abgedeckt zu bleiben, werden wir alle Aktivitäten innerhalb einer ganz offiziellen Rahmenfirma abwickeln, einem Versandhandel für medizinische Geräte, Die interne Organisation wird übrigens schon jetzt so gehandhabt, daß jede Einheit — also ein Fahrzeug mit seiner Besatzung — für sich operiert, im Sinne des Wortes und strategisch verstanden. So wird der Schaden für die Firma bei einem Zugriff gering bleiben. Der Zugreifer wird allenfalls nach Hintermännern suchen, aber keine finden. Wären Sie zum Beispiel von Interpol, hätten Sie jetzt nur mich. Und das wäre ja wohl etwas wenig.«

Schulz brach plötzlich in ein wieherndes Gelächter aus, das ebenso plötzlich wieder verstummte. Er hielt sich mit beiden Händen Leber und Magen und seufzte.   - Richard Hey, Engelmacher & Co. München 1990

 

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