Sie wollte ihren Mitgliedsbeitrag bezahlen. Eugen wunderte sich, weil sie so früh erschien, vormittags um neun. Sie erzählte vom Café Marquardt, wo sie ihre Lehrzeit absolvierte, und fügte hinzu, sie wolle ins Hotelfach:

»Später muß ich ein Examen machen.« Mit großen Augen lehnte sie im Büro an der Wand und sagte, Dialekt sei ihr unsympathisch: »Ich bin für das Ästhetische.« Eugen dachte, die sei eine Empfindliche.

Als sie gegangen war, knackte ein Schlüssel in der zweiten Tür des Zimmers, hinter der die Theaterkanzlei lag. Eine gerade noch junge Frau mit vorspringender Nase kam herein, die sagte: »Ich breche bei Ihnen ein« und bemerkte, sie stelle sich Eugen vor, weil sie nebenan beim Dramaturgen sitze, der zu ihr gesagt habe, mit allem, was sie tue, wolle sie nur auf sich selbst aufmerksam machen. »Das behauptet der, weil ich ihn habe wissen lassen, wenn er nicht dafür sorge, daß ich eine Wohnung kriege, schlafe ich auf der Bühne in einem Theaterbett.«

Eugen lächelte und nickte ihr zu, die wieder durch die zweite Tür entschwand. Dann klopfte es, und eine Schauspielerin erschien, eine zierliche und kleine, die Eugen von der Bühne kannte. Auch sie brachte Geld für den Kulturverein (zwölf Mark als Jahresbeitrag), übrigens im Auftrag ihrer Mutter, der Witwe eines ehemals berühmten Malers. Sie trug ein für die Jahreszeit zu dünnes Kleid und sagte überraschend: »Kommen Sie doch mal zur Probe.«

Der merkte man, zumindest jetzt, ihren Beruf nicht an. Sie schaute auf die Seite, und ihre Stimme wurde weggeschluckt, als ob es für sie mühsam wäre, die Worte hervorzubringen.

Später kam ein Mann im Ledermantel, der »Wo ist Herr Egloff?« fragte und sich umsah, in die Ecken und hinter den Schreibtisch schaute, als meinte er, Egloff habe sich vor ihm versteckt. - »Kriminalkommissar Sachse«, sagte er, als stellte er etwas fest, das ein anderer aufschreiben sollte, und prüfte, wie es wirkte, wenn er sich so verhielt, als spielte er in einem Theaterstück.

»Sagen Sie zu ihm, er soll mich anrufen«, sagte der Kommissar, und Eugen erwiderte »Jawohl«, übrigens mit gedämpfter Stimme. - Hermann Lenz, Ein Fremdling. Frankfurt am Main 1988 (st 1491, zuerst 1983)