üroleben   Herr Kromschröder trat auf den Plan und riß auch vorübergehend gleich die Fest-Leitung an sich, indem er zusammen mit Herrn Jungwirth eine Art gravitätische Gavotte tanzte, wobei beide Herren einander ununterbrochen

Büroleben

und glutvoll in die rollenden Augen blickten. Frl. Czernatzke lachte am heftigsten darüber - ein weiterer Beweis für die innere Nervosität dieser Frau. Na, würde erst Herr Jackopp eintreffen! Übrigens ist Herr Kromschröder einer der ärgsten, ja sogar nebenberuflichen Possenreißer in unserer Stadt und er trägt deshalb auch ständig - obwohl vollberechtigtes Büromitglied! - ein Art Zimmermannstracht -und der Bürovorsteher Rudolph läßt es durchgehen, ein weiterer Beweis für die unordentlichen Zustände in diesem Büro ...  - Eckhard Henscheid, Die Vollidioten. Ein historischer Roman aus dem Jahr 1972. Mit Zeichnungen der Originalschauplätze von F.K. Waechter. Frankfurt am Main 1979

Büroleben (2)  Inge kam am folgenden Tag  eine halbe Stunde früher als Herr Walter. Sie begann wieder mit dem Tagesabschluß und ich legte meine Hand wieder zwischen ihre Schenkel. Aber dieses Mal zog ich sie sofort wieder zurück und sagte: »Inge, dein Höschen.« Inge sah mich fragend an. Am nächsten Mittag kam Inge wieder früher und ich setzte mich wieder neben sie und wir buchten zum erstenmal zusammen den Abschluß und meine Hand unter ihrem Rock erkannte, daß da kein Höschen mehr war.

»Und was willst du nun?« keuchte Inge und streckte ihren Unterleib langsam über die Kante des Bürostuhls. Ich küßte Inge zärtlich, bis Herr Walter kam.

Am kommenden Mittag war Inge wieder nackt unter ihrem Rock. Ich stellte sie gegen den Heizungskörper, aber mit uns beiden funktionierte es nicht. Abends machten wir einen Spaziergang. Außerhalb der Stadt gingen wir in die Büsche, zogen uns erst halb aus, zogen uns schließlich ganz aus; es klappte nicht. Inge stellte sich gegen einen Baum, sie legte sich auf die Erde, sie lag auf der Erde wie auf einer Bahre, mit gestreckten Beinen. »Du bist doch verlobt,verdammt nochmal!«, sagte ich konsterniert. Es half nichts.

Inge war genauso ahnungslos wie ich. »Bin ich zu eng?« fragte sie.  - (kap)

Büroleben (3)  Wenn Hymie morgens kam, spitzte er erst einmal seine Schreibstifte; er tat das andächtig, ganz gleich, wie viele Anrufe auf ihn einstürmten; spitzte er nicht schleunigst, wie er mir später erklärte, als erstes die Schreibstifte, würden sie niemals gespitzt. Als nächstes warf er einen Blick aus dem Fenster, um nachzusehen, wie das Wetter war. Dann trug er mit einem frischgespitzten Stift auf die neben ihm liegende Schiefertafel oben in ein Kästchen die Wetterlage ein. Das erwies sich oft als nützliches Alibi, erklärte er mir. Wenn der Schnee dreißig Zentimeter hoch auf dem mit Glatteis bedeckten Boden lag, dann war sogar der Teufel selbst zu entschuldigen, wenn er die 'Wanderbriefe' nicht rascher herumdirigierte, und der Personalchef war auch zu entschuldigen, wenn er an solchen Tagen die Vakanzen nicht aufzufüllen vermochte - nicht wahr? Aber warum der gute Mann nicht zuerst seinen Kaktus pflanzte, statt an dem Klappenschrank herumzustöpseln, sobald seine Stifte gespitzt waren, blieb mir ein Rätsel. Auch das erklärte er mir später. Jedenfalls begann der Tag immer mit Durcheinander, Beschwerden, Verstopfungen und Vakanzen. Er begann auch mit lauten, stinkenden Fürzen, schlechtem Atem, zerfetzten Nerven, mit Epilepsie, Hirnhautentzündung, niedrigen Löhnen, überfälligen Nachzahlungen, mit ausgetretenen Schuhen, Hühneraugen und entzündeten Ballen, mit Platt- und Senkfüßen, mit verlegten Notizbüchern und verlorenen oder gestohlenen Füllfederhaltern, mit Telegrammen, die in der Kloake schwammen, mit Drohungen des Vizepräsidenten und guten Ratschlägen der Abteilungsleiter, mit Reibereien und Streitereien, mit Wolkenbrüchen und gerissenen Telegrafendrähten, mit neuen Kontrollrnethoden und der Abschaffung der alten, mit der Hoffnung auf bessere Zeiten und einem Gebet um den Bonus, der nie kam.  - (wendek)

Büroleben (4)  Mit einer Holztreppe, die seit dreißig Jahren nicht mehr gebohnert wird, im Dreck der zur Tür hinausgeschnippten Zigarettenkippen, umringt von einem Geleitzug kleiner Angestellter, die — auf dem Kopf die Melone, in der Hand die Tasche mit dem Eßgeschirr — ebenso knickrig wie bösartig sind, beginnt zweimal am Tag unser Scheintod.

Dämmerlicht herrscht im Innern dieser baufälligen Schnecke, wo Sägespäne des beigefarbenen Holzes durch die Luft wirbeln. Beim Geräusch der müde von Stufe zu Stufe um eine schmutzige Achse in die Höhe schlurfenden Schuhe nähern wir uns wie die Kaffeebohnen dem zermalmenden Räderwerk.

Jeder glaubt, er bewege sich vollkommen frei, denn die Unterdrückung, die ihn zwingt, ist äußerst simpel und unterscheidet sich gar nicht viel von der Schwerkraft: vom Himmelsgrund aus dreht die Hand des Elends die Mühle.

Das Ergebnis ist, um der Wahrheit die Ehre zu geben, unserer Gestalt weniger gefährlich. Diese Tür, die man passieren muß, hat nur einen Gong aus Fleisch von der Größe eines Menschen, den Aufseher, der sie zur Hälfte verstopft: ein Schließmuskel mehr denn ein Räderwerk. Jeder wird von ihm sogleich nach draußen befördert, auf schmähliche Weise davongekommen, stark deprimiert jedoch durch die vom Bohnerwachs, vom elektrischen Licht, vom DDT schlüpfrig gewordenen Därme. Unversehens durch lange Zwischenstücke abgesondert, befindet man sich nun dort, — in einer zu Kopfe steigenden Atmosphäre wie in einem Krankenhaus zur Dauerkür für den Unterhalt schmächtiger Geldbeutel und möglichst schnell durch ein Mittelding zwischen Kloster und Schlittschuhbahn eilend, dessen zahlreiche kanalartige Gänge sich rechtwinklig schneiden — wo das fadenscheinige Jackett Uniform ist.

Bald darauf öffnen sich in jeder Abteilung die eisernen Rollschränke mit gräßlichem Lärm, und wie schreckenerregende, doch vertraute Vogelfossilien, die aus ihren Schichten befreit worden sind, lassen sich die Akten schwerfällig auf den Schreibtischen nieder und prusten. Ein makabres Studieren hebt an. O Analphabetentum der Geschäftswelt, beim Geräusch der geheiligten Maschinen wird dein langer, ewig währender Kult zelebriert, dem es zu dienen gilt. Alles wird nach Vorschrift auf doppelten, dreifachen Formularen festgehalten, darin das immer mehr malvenfarbene, schwindsüchtige Wort sich fraglos zu guter Letzt auflösen würde in der Verachtung und dem Überdruß sogar des Papiers, gäbe es nicht die Verfallbücher, diese Festungen aus steifem blauem Karton mit einer runden Dachluke mittendrin, auf daß kein beschriebenes Blatt sich vergessen stelle.

Zwei- oder dreimal am Tag fällt mitten in diesen Kult, strahlend und dumm wie ein westindischer Vogel, die bunte Briefpost frisch aus den Umschlägen mit den schwarzen Kußmalen der Post und stapelt sich frank und frei vor mir auf.

Jedes fremde Blatt wird nun adoptiert und einem Täubchen von uns anvertraut, das es der Reihe nach seinen verschiedenen Bestimmungsorten zuführt bis zur Ablage.

Bestimmte Schmuckstücke werden bei den jeweiligen Vorgängen angelegt: goldene Ecken, Heft- und Büroklammern harren in Holzschalen ihrer Verwendung.

Allmählich, wie sich der Zeiger dreht, steigt unterdessen die Flut in den Papierkörben. Wenn sie überlaufen, ist es Mittag: ein schrilles Läuten lädt dazu ein, sich stracks aus diesen Stätten zu entfernen. Halten wir fest, daß sich keiner dies zweimal sagen läßt. Ein überstürztes Hasten macht sich die Treppen streitig; während die Geschlechter beim Eintritt sich nicht miteinander vermischen durften, tun sie es nun auf der Flucht, rempeln und treten einander nach besten Kräften.

Zu dieser Stunde gelangen die Abteilungsleiter erst richtig zum Bewußtsein ihrer Überlegenheit: »Turba ruit« oder »raunt«; mit priesterlichem Gehabe lassen sie die Mönche und Mönchlein jeder Observanz an sich vorbeigaloppieren und inspizieren gemessen ihr Reich, flankiert vom Mattglasprivileg der Schalterscheiben, in einer Staffage, welche die Tugenden des Dünkels, des schlechten Geschmacks und des Denunziantentums mit Balsamduft erfüllen, — und gelangen sie nun in ihre Garderobe, die gar nicht selten Handschuhe, Stock und Seidenschärpe hütet, so werfen sie mit einem Male die Kutte ihrer Amtsmiene ab und werden zu ausgesprochenen Weltmännern.  - (lyr)

Büroleben (5)  

- Elmer Batters

Büroleben (6)

Büroleben (7)

   - Nicole Claveloux, Illustr. zu Confessions d'un monte-en-l'air (Text Marcel Lerouge)

Büroleben (8)

Büroleben (9, karibisch) Tätigkeiten einer Beamtin im Büro des Cultural Advisers des Premierministers:
Sie halbiert Kohlepapier.
Sie legt es in die Schublade.
Sie zieht ein Handtuch aus ihrer Handtasche.
Sie betrachtet das Innere der Handtasche.
Sie stopft das Handtuch in die Handtasche zurück.
Sie nimmt Schreibmaschinenpapier in die Hand.
Sie legt es wieder weg.
Der Ventilator bläst einige Blätter davon.
Sie hebt die Blätter auf.
Sie zieht das Handtuch aus der Handtasche.
Sie stopft das Handtuch in die Handtasche zurück.
Sie öffnet die Schublade.
Sie stellt ein Holztäfelchen auf mit der Inschrift: Think!
Sie legt den Kopf auf die Schreibmaschine.
Sie öffnet die Handtasche.
Sie schliesst die Handtasche.
Eine halbe Stunde ist vergangen.  - (xan)
 
 

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