üchsendeckel Ich
weiß ganz gut, daß es ein gewisser blecherner Gegenstand ist, der auf
mich wartet. Ich habe angenommen, daß es sich wirklich um einen
Büchsendeckel handelt, obwohl ich mich natürlich irren kann. Das
beunruhigt mich nicht. Es entspricht nun einmal meiner Anlage, die Sache
auf einen Büchsendeckel zu schieben. Man kann denken, daß er ihn nicht
mitgenommen hat. Wahrscheinlich hat man aufgeräumt, man hat den Deckel
auf seine Büchse gesetzt, wie es sich gehört. Und nun bilden die beiden
zusammen den Begriff Büchse, runde Büchse, genau ausgedrückt, einen
einfachen, sehr bekannten Begriff. Mir ist, als entsänne ich mich, daß
sie auf dem Kamin stehn, die beiden, die die Büchse ausmachen. Ja, sie
stehn sogar vor dem Spiegel, so daß dahinter noch eine Büchse entsteht,
eine täuschend ähnliche, imaginäre.
Eine Büchse, auf die wir gar keinen Wert legen, nach der aber zum Beispiel ein Affe greifen würde. Richtig, es würden sogar zwei Affen danach greifen, denn auch der Affe wäre doppelt, sobald er auf dem Kaminrand ankäme. Nun also, es ist der Deckel dieser Büchse, der es auf mich abgesehen hat.
Einigen wir uns darüber: der Deckel einer Büchse, einer
gesunden Büchse, deren Rand nicht anders gebogen ist, als sein eigener,
so ein Deckel müßte kein anderes Verlangen kennen, als sich auf seiner
Büchse zu befinden; dies müßte das Äußerste sein, was er sich
vorzustellen vermag; eine nicht zu übertreffende Befriedigung, die
Erfüllung aller seiner Wünsche. Es ist ja auch etwas geradezu Ideales,
geduldig und sanft eingedreht auf der kleinen Gegenwulst gleichmäßig
aufzuruhen und die eingreifende Kante in sich zu fühlen, elastisch und
gerade so scharf, wie man selber am Rande ist, wenn man einzeln daliegt.
Ach, aber wie wenige Deckel giebt es, die das noch zu schätzen wissen.
Hier zeigt es sich so recht, wie verwirrend der Umgang mit den Menschen
auf die Dinge gewirkt hat. Die Menschen nämlich, wenn es angeht, sie
ganz vorübergehend mit solchen Deckeln zu vergleichen, sitzen höchst
ungern und schlecht auf ihren Beschäftigungen. Teils weil sie nicht auf
die richtigen gekommen sind in der Eile, teils weil man sie schief und
zornig aufgesetzt hat, teils weil die Ränder, die aufeinander gehören,
verbogen sind, jeder auf eine andere Art. Sagen wir es nur ganz
aufrichtig: sie denken im Grunde nur daran, sobald es sich irgend tun
läßt, hinunterzuspringen, zu rollen und zu blechern. Wo kämen sonst alle
diese sogenannten Zerstreuungen her und der Lärm, den sie verursachen? - Rainer Maria Rilke, Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge. Fankfurt am Main 2000 (it 2691, zuerst 1910)
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