uckel    Mit der Lebendigkeit der Geisteskräfte, die man den Buckligen allenthalben zuschreibt, mag wohl auch die Tatsache zusammenhängen, daß sie gewöhnlich so übermäßig zu den Freuden der sinnlichen Liebe hinneigen. Lichtenberg sucht dies auf eine scherzhafte Weise physiologisch zu erklären, indem er behauptet, »weil das Blut bei ihnen einen kürzeren Weg in die Organe zu machen hat und daher heißer ankommt«. - (erot)

Buckel (2)  Es tauchte ein ungeheurer Buckel neben ihm auf und fragte, ob es gestattet sei. Kien blickte angestrengt hinunter. Wo war der Mund, aus dem es sprach? Und schon hüpfte der Besitzer des Buckels, ein Zwerg, an einem Stuhl in die Höhe. Er kam richtig darauf zu sitzen und wandte Kien ein paar große, melancholische Augen zu. Die Spitze der stark gebogenen Nase lag in der Tiefe des Kinns. Der Mund war so klein wie der Mann, nur - er war nicht zu finden. Keine Stirn, keine Ohren, kein Hals, kein Rumpf - dieser Mensch bestand aus einem Buckel, einer mächtigen Nase und zwei schwarzen, ruhigen, traurigen Augen. Lange sagte er nichts; er wartete wohl die Wirkung seiner Erscheinung ab. Kien gewöhnte sich an den neuen Zustand. Plötzlich hörte er eine heisere Stimme unterm Tisch fragen:

»Wie gehn die Geschäfte?«

Er sah an seinen Beinen hinunter. Die Stimme schnarrte empört: »Bin ich a Hund?« Da wußte er, daß der Zwerg sprach. Was er über die Geschäfte sagen sollte, wußte er nicht. Er musterte die ausschließliche Nase des Kleinen, sie flößte ihm Verdacht ein. Da er kein Geschäftsmann war, zuckte er leicht mit den Achseln. Seine Gleichgültigkeit machte großen Eindruck.

»Fischerle is mein Name!« Die Nase pickte auf die Tischplatte. Kien tat es um seinen guten Namen leid. Er gab ihn also nicht von sich und machte nur eine steife Verbeugung, die sich als Ablehnung so gut wie als Entgegenkommen deuten ließ. Der Zwerg entschloß sich für das letztere. Er holte zwei Arme hervor - lang wie die eines Gibbon - und griff nach Kiens Aktentasche. Ihr Inhalt brachte ihn zum Lachen. Durch die Mundwinkel, die rechts und links von der Nase zuckten, bewies er endlich die Existenz seines Mundes.

»Papierbranche, hab' ich recht?« krächzte er und hielt das sauber zusammengefaltete Packpapier in die Höhe. - Elias Canetti, Die Blendung. Frankfurt am Main 2007  (zuerst 1935)

Buckel (3)  
 

Krüppel Rücken

 

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