uchführung Seit langem trage ich in einem Notizbuch die Namen meiner verstorbenen Freunde ein. Dieses Notizbuch nenne ich das Totenbuch. Ich blättere oft darin. Es enthält Hunderte von Namen, einen neben dem anderen, in alphabetischer Reihenfolge. Ich trage nur die Männer und Frauen ein, mit denen ich, und sei es auch nur ein einziges Mal, einen wirklich menschlichen Kontakt gehabt habe. Die Mitglieder der surrealistischen Gruppe sind mit einem roten Kreuz gekennzeichnet. 1977/78 war für die Gruppe ein Schicksalsjahr. Innerhalb weniger Monate verschieden Man Ray, Calder, Max Ernst und Prévert.
Einige meiner Freunde hassen dieses Büchlein, zweifellos, weil sie fürchten, eines Tages selbst darin zu stehen. Ich sehe das anders. Dieses Familienbuch ertaubt es mir, an diesen oder jenen zu denken, der sonst dem Vergessen anheimfiele.
Einmal habe ich mich geirrt. Durch meine Schwester Conchita hatte ich vom
Tod eines spanischen Schriftstellers gehört, der sehr viel jünger war als ich.
Ich trug ihn ein. Als ich einige Zeit darauf in Madrid im Café saß, sah ich
ihn plötzlich durch die Tür treten und auf mich zukommen. Sekundenlang glaubte
ich, einem Geist die Hand zu schütteln. - Luis Buñuel, Mein letzter Seufzer. Berlin, Wien, Frankfurt am
Main 1985
Buchführung (2)
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