uch, heiliges  Der ganze Inhalt des Korans, um mit wenigem viel zu sagen, findet sich zu Anfang der zweiten Sura und lautet folgendermaßen: „Es ist kein Zweifel in diesem Buch. Es ist eine Unterrichtung der Frommen, welche die Geheimnisse des Glaubens für wahr halten, die bestimmten Zeiten des Gebets beobachten und von demjenigen, was wir ihnen verliehen haben, Almosen austeilen und welche der Offenbarung glauben, die den Propheten vor dir herabgesandt worden, und gewisse Versicherung des zukünftigen Lebens haben: diese werden von ihrem Herrn geleitet und sollen glücklich und selig sein. Die Ungläubigen betreffend, wird es ihnen gleichviel sein, ob du sie vermahnest oder nicht vermahnest; sie werden doch nicht glauben. Gott hat ihre Herzen und Ohren versiegelt. Eine Dunkelheit bedecket ihr Gesicht, und sie werden eine schwere Strafe leiden."

Und so wiederholt sich der Koran Sure für Sure. Glauben und Unglauben teilen sich in Oberes und Unteres; Himmel und Hölle sind den Bekennern und Leugnern zugedacht. Nähere Bestimmung des Gebotenen und Verbotenen, fabelhafte Geschichten jüdischer und christlicher Religion, Amplifikationen aller Art, grenzenlose Tautologien und Wiederholungen bilden den Körper dieses heiligen Buches, das uns, sooft wir auch darangehen, immer von neuem anwidert... - Goethe, Noten und Abhandlungen zu besserem Verständnis des West-östlichen Divans (zuerst 1819)

Buch, heiliges (2)  Der Koran, das von Gott inspirierte Buch des Propheten, läßt keinen Zweifel darüber: »Wenn die heiligen Monate vorüber sind, tötet die Ungläubigen, wo ihr sie findet, ergreift sie, bedrängt sie und setzt euch in jeden Hinterhalt gegen sie«. - (cane)

Buch, heiligstes (3)  Es ist bekannt, dass der Deutsche gern Alles, sogar den Wahnwitz, mit Methode und, wenn man das Wort hier missbrauchen darf, mit Wissenschaftlichkeit betreibt. Sprenger und Konsorten setzten sich daher vor allen Dingen hin und verfassten in lateinischer Sprache ein dickes Buch, den ,Malleus maleficarum' (Hexenhammer), welcher die Hexen gleichsam zusammenhämmern, zermalmen sollte. Dieses romantische Buch, welches bei den Hexenrichtern kanonisches Ansehen erlangte und nach Köppens trefflichem Ausdrucke mit dem Eifer eines vor Fanatismus, Habsucht, Wollust und Henkerslust wahnsinnig gewordenen Mönchs geschrieben ist, erschien mit Approbation der theologischen Fakultät von Köln zuerst im J. 1489 und erlebte rasch mehrere Auflagen. Der 1. Teil dieses ,liber sanctissimus' handelt von den drei Stücken, welche bei der Zauberei zusammenkommen; — der Teufel, der Zauberer oder die Zauberin und die göttliche Zulassung; der 2. Teil davon, wie man sich vor der Macht der Zauberei bewahren solle und wie man die Folgen derselben wieder aufheben könne; der 3. Teil ist gerichtlich und enthält eine Anleitung für die geistlichen und weltlichen Richter hinsichtlich des Verfahrens beim Hexenprozess. Hier wurde auch die Kompetenzfrage dahin gelöst dass an sich das Verbrechen der Hexerei vor die geistlichen und weltlichen Gerichte gehöre, insofern aber als Ketzerei mit dabei im Spiele sei sollten die Hexen der Gerichtsbarkeit der Inquisition unterworfen werden. Man sieht, die Herren Theologen wussten sich auf jeden Fall ihr Mitdabeisein zu sichern.  - (hel)

Buch, heiliges (4)  Wie wollen Sie mir die Geschichte mit den Engeln erklären, die die Töchter der Menschen küssen und Riesen erzeugen? Was sagen Sie zu der Sintflut, die, wenn sie, wie Gott sagte, nur 40 Tage lang dauerte, höchstens 18 Zoll Wasser über der Erde hätte ansammeln können? Wie wollen Sie mir die Wasserstürze des Himmels, wie erklären, daß Tiere aus allen vier Himmelsrichtungen kamen, um dann in einen Koffer eingesperrt zu werden, wo nach den Beschreibungen der Bibel alles Platz fände, nur nicht die ganze Menagerie des Herren? Und wie konnte die Familie Noahs, die nur aus acht Personen bestand, alle diese Geschöpfe nähren und pflegen? O mächtiger Gott der Juden! Ich bin überzeugt, daß unter all diesen Tieren keines dümmer war wie du.

Und der Turm von Babel, wie wollen Sie den rechtfertigen? Er war zweifellos höher wie die Pyramiden Ägyptens, da doch Gott diese Pyramiden fortbestehen ließ.

Und der gute Abraham, der im Alter von 135 Jahren Sarah für seine Schwester ausgibt, aus Angst, man könnte sie vergewaltigen, erfreut Sie der nicht?

Was mir wieder unendlichen Spaß macht, ist die hübsche Geschichte von den Sodomitern, die die Engel im Hintern ficken wollen, und dem guten Lot, der lieber seine Töchter von hinten bearbeitet sehen möchte, was aber offenbar den Kennern vom Asphaltsee nicht genügte.

Aber die Frage, die Sie zweifellos auf der Stelle beantworten werden können, ist die, wieso die Salzsäule, in die Lots Frau verwandelt wurde, so lange dem Regen widerstehen konnte?

Wie wollen Sie das Glück rechtfertigen, das Jakob geniefit, der seinen Vater Isaak täuschte und seinen Schwiegervater Laban bestahl? Wie erklären Sie die Gotteserscheinung auf der Leiter und den Zweikampf Jakobs mit einem Engel? O, wie das hübsch, wie das interessant ist!

Aber sagen Sie mir, was Sie von dem kleinen Rechenfehler von 195 Jahren halten, den man findet, wenn man den Aufenthalt der Juden in Ägypten nachprüft? Wie erklären Sie das Bad der Tochter Pharaos im Nil, in dem wegen der Krokodile niemals jemand badet?

Wie kommt es, daß Moses, der die Tochter eines Götzenanbeters heiratete, von Gott, der keine Heiden leiden mochte, doch zu seinem Propheten erwählt wurde? Wieso taten die Magier des Pharao dieselben Wunder wie Moses? Warum flüchtete Moses mit seinem Volk, da er doch von Gott geführt wurde und sich an der Spitze von 630000 Streitern befand, statt sich Ägyptens zu bemächtigen, dessen Erstgeborne alle durch die Hand Gottes umgekommen waren? Wieso verfolgte die Reiterei Pharaos dieses Volk in einem Land, in dem sich eine Reiterei überhaupt nicht bewegen konnte? Wie konnte übrigens Pharao eine Reiterei haben, da Gott bei der fünften Plage geistreicherweise alle Pferde hatte umkommen lassen? Wie konnte ein goldenes Kalb in acht Tagen geformt werden? Und wie verbrannte Moses dieses goldene Kalb zu Asche?

Und wie denken Sie über die Gerechtigkeit Gottes, der wegen eines einzigen Mannes, der mit einem Mädchen aus Midiam geschlafen hatte, 24000 Menschen töten läßt? Waren diese Hebräer, die man uns als grausame Leute schildert, nicht doch sehr gutmütig, daß sie sich das gefallen ließen?

Aber erst wenn er Gesetzgeber spielt, dann wird Ihr erhabener Gott geistvoll. Gibt es etwas Klügeres und Wichtigeres, als daß er den Männern befiehlt, nicht mit ihren Frauen zu schlafen, wenn diese die Regeln haben, und daß er, wenn es doch geschieht, die Todesstrafe darauf gesetzt hat? Als daß er die Art, wie man sich den Arsch auswischen und ihn waschen muß, genau beschreibt? In der Tat, das alles ist von höchster Wichtigkeit, und man liebt leicht ein ewiges Wesen, das so schöne Sachen vorschreibt.

Wie wollen Sie die Notwendigkeit eines Wunders beweisen, wenn man den Jordan überschreiten will, der höchstens 40 Fuß breit ist?

Wie wollen Sie beweisen, daß gerade die Mauern von Jericho nur durch den Ton der Trompeten einstürzen konnten?

Wie wollen Sie die Handlung der Hure Rahab entschuldigen, die ihre Vaterstadt Jericho verriet? Und wozu war dieser Verrat nötig, da es bloß eines schwachen Trompetenstoßes bedurfte, um in den Besitz der Stadt zu gelangen?

Warum muß gerade aus den Lenden dieser Hure Rahab Gott seinen geliebten Sohn entstehen lassen?

Wie wollen Sie entschuldigen, daß Josua 31 Personen hängen last, nur weil er nach ihrem Vermögen trachtete?

Wie beurteilen Sie die Schlacht Josuas gegen die Amorrhiter, während welcher Gott, der gütige Herr, durch fünf Stunden hindurch Felsblöcke auf die Feinde des jüdischen Volkes regnen läßt?

Wie können Sie, bei Ihren Kenntnissen von dem Lauf der Gestirne, den Befehl Josuas begreifen, die Sonne möge- stillstehen, während doch gerade die Sonne still steht und die Erde sich bewegt? Ah! Ich weiß, Sie werden mir antworten, daß Gott noch nicht wußte, daß wir solche Fortschritte in der Astronomie machen wurden. Ihr Gott ist ein großer Geist!

Was halten Sie von Jephta, der seine Tochter schlachtet und 42000 Juden hinrichten läßt, bloß weil ihre Zunge das Wort Schibboleth nicht aussprechen kann?

Warum wird in Ihrem neuen Testament das Dogma von der Hölle und der Unsterblichkeit der Seele aufgestellt, während das alte, an das doch das neue anschließt, nichts von diesem ekelhaften Unsinn weiß?

Wie wollen Sie die Unsittlichkeit jener hübschen kleinen Erzählung von dem Leviter mildern, der auf seinem Esel nach Gaba kommt und den die Bewohner dieser Stadt im Hintern ficken wollen? Der arme Teufel läßt seine Frau im Stich, um sich aus der Verlegenheit zu ziehen, und die Arme stirbt unter den sodo-mitischen Angriffen. Ich bitte, sagen Sie mir, wozu dienen derartige Niedlichkeiten in einem vom Geist Gottes geleiteten Buche?

Sie müssen mir auch erklären, wieso es möglich ist, daß Simson in einem Lande, das keinen Wald besitzt, die Getreidefelder der Philister durch Fackeln entzündete, die er an die Schwänze von 300 Füchsen band; da doch Füchse gewöhnlich im Walde wohnen. Dann, wieso er 1000 Philister mit einer Eselskinnbacke erschlagen konnte und wieso aus einem dieser Zähne ein Strahl Wassers entspringen konnte? Sie werden zugestehen, daß man selbst ein wenig Eselskinnbacke sein muß, um ein solches Märchen zu erfinden oder daran zu glauben.

Aufklärung erbitte ich mir auch von Ihnen über den wackeren Tobias, der mit offenen Augen schlief und durch den Kot einer Taube erblindete; und auch femer über den Engel der eigens aus dem Himmelreich herabstieg, um mit Tobias Geld holen zu gehen, das der Jude Gabel dem Vater des Tobias schuldete. Diese Geschichten sind wirklich merkwürdig. Außer dem Märchen vom kleinen Däumling kenne ich nichts Hübscheres.

Nicht ohne Ihre Hilfe aber kann ich mir den heiligen Text erklären, der besagt, daß Judith von Simeon dem Sohne des Ruben abstamme, obgleich nach derselben heiligen Schrift Simeon der  Bruder Rubens  war. Und die heilige Schrift kann doch nicht lügen.

Ich liebe Esther und ich finde es von Assueras sehr vernünftig, eine Jüdin zu heiraten und sechs Wochen mit ihr zu  schlafen, ohne zu wissen, wer sie ist.

Aber Ihr David macht mir Kummer. Ich sehe mit Arger in einem solchen Verbrecher einen Ahnherren Ihres Jesus. Es ist hart für ein Wesen, das sich Gott nennt, seinen Ursprung von einem Mörder, Ehebrecher, Frauenräuber, Syphilitiker und Betrüger, mit einem Wort, von einem Manne herzuleiten, der, wenn ihn unsere europäischen Gesetze erreicht hätten, zwanzigmal gerädert worden wäre.

Wie wollen Sie, bitte, die prachtvollen Versprechungen der jüdischen Propheten mit der dauernden Sklaverei in Einklang bringen, in der das unglückliche Volk der Juden bald unter den Phöniziern, bald unter den Persern, Syrern, den Römern usw. schmachtete?

Ihren Ezechiel halte ich entweder für ein großes Schwein oder für einen sehr wollüstigen Menschen, wenn er Kot ißt. Und es ärgert mich, wenn er einem jungen Mädchen sagt: ,Als deine Brüste sich bildeten, habe ich mich auf dich gelegt, ich habe deine Nacktheit bedeckt und ich habe dir schöne Dinge geschenkt. Aber du hast dir ein Freudenhaus gebaut, du hast dich auf öffentlichen Plätzen geschändet Du hast mit Eifer gewünscht, mit denen zu schlafen, die Eselsglieder haben und die Samen ausspritzen wie Pferde.' O, schamhafte Justine, kann man ein solches Buch ein heiliges nennen und es jungen Mädchen in die Hand geben? - (just)

Buch, heiliges (5)  Da ergeht, in einem Krieg auf Leben und Tod, ein König sich auf dem Dach des Palastes, erblickt die badende Frau eines seiner Offiziere, schwängert sie, und um seinen Frevel zu vertuschen und die Erwählte bei sich halten zu können, schickt er ihren Mann in den sicheren Tod. — Ein Königssohn begehrt seine Schwester, erklärt, ohne ihren Leib nicht leben zu können, lockt die Sorgende durch eine List auf sein Lager, doch am Morgen schon ihrer überdrüssig, läßt er sie auf die Straße werfen, und ein Bruder, der sie rächt, geht als Aufrührer zugrund. — Zwei Kundschafter schleichen sich in die Stadt des Feinds ein und suchen nachts das Haus einer Hure auf; sie offenbart sich als Glaubensgenossin der beiden, die unterdes bemerkt worden sind, und bietet ihnen Fluchthilfe an; nach dem siegreichen Sturm auf die Stadt wird sie als einzige verschont. - Die Ehefrau eines Würdenträgers begehrt dessen Dieners Liebe; er, seinem Herrn treu, weist sie ab, sie zeiht den Jüngling versuchter Schändung, und ihr Mann wirft ihn in den Kerker. - Eine junge, mittellos gewordene Witwe liest Ähren auf dem Feld eines Reichen; ihre Schwiegermutter stiftet sie an, nachts heimlich in sein Bett zu schlüpfen, und so gewinnt Ruth Boas zum Gemahl. — Ein König findet Gefallen am Tanz seiner Tochter, verspricht ihr als Lohn eine Wunscherfüllung, und sie wünscht und erhält das abgehaune Haupt eines Propheten, der ihre Mutter der Blutschande anklagt.  — Ich las gierig wie nie. — Das Sensationelle der Wörter war bald verdampft; was blieb, war das Sensationelle der Seelen, das doch nichts als das Alltägliche war.  - Franz Fühmann, Meine Bibel. In: F.F., Die Schatten. Hamburg 1986

Buch, heiliges (6)  Die kleinen Taugenichtse hüpften und strampelten vor Vergnügen und hatten ihren Spaß daran, während die unermüdliche, aber gutgelaunte Matrone sie alle abschrubbte, als sei es eine Gewissensfrage.

Inzwischen stand Mrs. O'Brien beim Bootsmannshellegatt - dem Aufbewahrungsort für Tauwerk und Teertöpfe im Bug des Schiffes - mit einer vom Alter geschwärzten Quartbibel, die sie vor sich zwischen die Ohrhölzer gelegt hatte und aus der sie ihren drei kleinen sanften Lämmern vorlas.

Die Matrosen hatten einen großen Spaß an der Prozedur der O'Regans in der Deckswanne und bewunderten aufs höchste ihren Mutwillen und ihre Tatkraft, aber die O'Briens schätzten sie nicht so sehr. Besonders mißfiel ihnen die ernste Matrone selbst, die ganz in verschossenes Schwarz gekleidet war, und gegen ihr Buch hegten sie einen bitteren Grimm. Diesem und den darüber gemurmelten Sprüchen schrieben sie die Gegenwinde zu, die uns bedrängten. Blunt, unser irischer Cockney, war tatsächlich der Meinung, Mrs. O'Brien komme vorsätzlich jeden Morgen auf Deck, um uns für die nächsten vierundzwanzig Stunden einen widrigen Wind zu besorgen.

Schließlich sprach der Holländer Max sie eines Morgens an, als sie auf Deck kam, und sagte ihr, es täte ihm sehr leid, aber wenn sie wieder mit ihrem Buch zwischen die Ohrhölzer gehe, würde die Mannschaft es ihr über Bord werfen.

Nun herrschte, obgleich sie in ihrem Wesen sehr verschieden voneinander waren, zwischen den beiden Drillingsfamilien eine sehr warme Zuneigung, die sich bei dieser Gelegenheit aufs seltsamste kundtat.

Trotz dem Tadel und der Drohung der Matrosen nahm die Witwe schweigend ihren alten Platz wieder ein und begann, ihre Kinder um sich geschart, mit ihrem leisen murmelnden Lesen. Dabei stand sie direkt im äußersten Bug des Schiffes und lehnte sich so darüber, als ob sie sich von einer schwimmenden Kanzel an die zahllosen Wellen wandte. Mit einemmal trat Max hinter sie, riß ihr das Buch aus der Hand und warf es über Bord.  - Herman Melville, Redburn. Seine erste Reise. In: H. M., Redburn. Israel Potter. Sämtliche Erzählungen. München 1967 (zuerst 1849)

Buch
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