rustwarzen Mit Regine habe ich vor etlichen Jahren, als wir beide noch Interviewer waren, eine Weile zusammengearbeitet. Ich erinnere mich an einen Nachmittag, an dem sie mich zuerst eine Stunde lang über Papiertaschentücher ausfragte, dann ich sie über Plastikkoffer. Die Agentur schaffte die Langzeit-Interviews aber leider ab und ersetzte sie durch Straßenbefragungen. Jetzt sollten wir uns vor Kaufhäusern, Behörden und Schulen aufstellen und die Leute über Steuerpolitik und Fernsehzeitschriften ausfragen. Das wollten wir beide nicht. So trennten sich unsere Wege.
Arbeitest du zur Zeit? frage ich.
Ich mache einen Kurs als Sterbebegleiterin,
sagt Regine.
Ohh, mache ich und muß ein wenig lachen.
Das ist eine
ernste Sache, sagt Regine.
Ich möchte fragen, was man in einem solchen
Kurs lernt, aber ich traue mich nicht.
Und, frage ich statt dessen,
kommst du klar?
Neulich wollten sie mich zum ersten Mal einer Einundneunzigjährigen
beistehen lassen, aber die Frau hat mich nach einer halben Stunde weggeschickt.
Jetzt
lachen wir beide und sehen dabei aneinander vorbei.
Du bist ihr wahrscheinlich
wie der Tod persönlich vorgekommen, sage ich.
So habe ich das noch nie
gesehen.
Als Sterbender ist man doch gekränkt über jeden, der weiterlebt,
sage ich.
Du sprichst, sagt Regine, als wärst du schon einmal gestorben.
Klar
doch, sage ich, schon öfter, du etwa nicht?
Wir lachen, und ich weiß
nicht, ob Regine meine letzte Bemerkung versteht. Sie streckt mir die Hand
hin und verabschiedet sich.
Ruf mich mal an, sagt sie im Weggehen.
Ich
brauche keine Sterbebegleiterin, will ich ihr nachrufen, aber ich unterdrücke
den Satz im letzten Augenblick.
Kurz darauf fällt mir ein, daß Regine und ich sogar schon einmal zusammen
gestorben sind. Ich interviewte sie zuerst über Urlaub und Fernreisen,
dann sie mich über Konserven und Fertigmenüs. Hinterher lagen wir erschöpft
auf ihrem Teppichboden. Wir tranken eine halbe Flasche Wein und alberten
herum, bis uns die Augen zufielen. Als wir aufwachten, zogen wir uns aus
und schliefen miteinander. Dann geschah etwas Merkwürdiges. Regine lag
neben mir und betrachtete ihren nackten Oberkörper. Ich merkte eine Weile
nicht, daß sie schweigsam und traurig geworden war. Sie forderte mich auf,
ich solle ihre Brüste anschauen. Das mache ich sowieso die ganze Zeit,
habe ich darauf geantwortet, glaube ich. Aber offenbar nicht genau
genug, sagte sie. Worauf willst du hinaus? fragte ich. Hast du bemerkt,
daß sich meine Brustwarzen nicht mehr aufstellen? Regine hatte große längliche
Brustwarzen, auf die sie stolz war. Daß sie sich bei erotischen Ereignissen
aufstellten, war ihr stets ein Beweis für ihre Vitalität. Jetzt waren sie
seitlich ein wenig eingeknickt oder umgelegt oder in den Warzenhof eingedrückt.
Ich hatte die Veränderung bemerkt, aber ich hielt sie für bedeutungslos.
Nur langsam ging mir auf, daß Regine körperlich irritiert war. Dann sagte
ich auch noch, sie solle ihre Brustwarzen nicht so wichtig nehmen. In diesen
Augenblicken sind wir zuerst gemeinsam verstummt
und dann als Paar gemeinsam verstorben. -
Wilhelm Genazino, Ein Regenschirm für diesen Tag.
München 2003 (zuerst 2001)
»Ja, der Mai«, spottete er wieder. »Dein großer Monat.« Sie achtete nicht darauf. Sie nahm ihm überhaupt seine Bemerkungen nicht übel. Es schien eine Gewohnheit der Geschwister zu sein, sich zu verspotten.
Dafür machte ihre Mutter ein sehr unzufriedenes Gesicht. Sie nahm wohl nur Rücksicht auf mich, sonst hätte sie am liebsten gesagt: Du hast dich herumgetrieben. Das ist doch ganz klar: eine so ordentliche Frau wie ihre Mutter konnte an dieser Tochter nicht viel Freude haben. Ich meine damit nicht allein das Zuspätkommen. Was ging mich das an? Ich meine ihre ganze Art. Oder es lag auch nur an dem sehr kurzen Kleid. Oder an den roten Fingernägeln. Oder auch an der Frisur. Die Haare waren blond. Und zwar echt blond, man merkte es an dem warmen Ton. Dagegen läßt sich nichts sagen. Doch die Frisur gefiel mir auch nicht. Allerhand getürmte Locken. Das sah schon gar zu künstlich aus. Aber wenn die Mode es so von ihr verlangt, was soll sie da machen?
Es lag doch wohl an ihrem Kleid. Ein Kleid aus schwarzer, glänzender Seide
um diese Jahreszeit, das gehörte sich nicht. Außerdem, wie die Verfasser anständiger
Romane sich auszudrücken pflegen, ließ es ihre Formen sehen. Das mußte vielleicht
so sein, doch ich meine: Man sah ihre Brüste durch
die Seide und sogar die Brustwarzen. Welch ein häßliches Wort übrigens! Man
müßte endlich etwas Besseres dafür erfinden. - Hans Erich Nossack, Interwiew
mit dem Tode.
In: Ders., Die Erzählungen. Frankfurt am Main 1987 (zuerst 1948)
- Ludwig Harig, Rousseau. Der Roman vom Ursprung der Natur im Kopf.
München 1981 (zuerst 1978)
Brustwarzen (4) Die Brustwarzen der Frau
können als Gegenstand sowohl des Vergnügens als auch der Nützlichkeit betrachtet
werden. - Murat und Patissier, Art. „Brustwarzen", Wörterbuch der
medizinischen Wissenschaften (1812-22),
nach (
sot
)
Brustwarzen (5) »Gaskells Brustwarzen machen mich ganz wild«, sagte Sally, »sie machen auch ihn ganz wild, wenn ich dran nuckele.
Eva trank ihren Kaffee und fragte sich, was Henry wohl täte, wenn sie sich einfallen ließe, an seinen Brustwarzen zu nuckeln. Ihn wild machen, war wohl kaum das richtige Wort, und außerdem bereute sie langsam, siebzig Pfund ausgegeben zu haben. Das würde ihn ebenfalls wild machen. Henry hielt nichts von Kreditkarten. Aber sie hatte zu viel Spaß, als dass sie sich vom Gedanken an seine Reaktion den Tag vermiesen lassen wollte.
»Ich finde, die Nippel sind so wichtig«, fuhr Sally fort. Am Nebentisch zahlten zwei Frauen und gingen.
»Das mag ja sein«, sagte Eva Wilt verlegen, »aber ich habe mit meinen nie viel anfangen können.
»Wirklich nicht?«, sagte Sally. »Dagegen müssen wir aber was tun.«
»Ich glaube nicht, dass irgendjemand viel dagegen tun kann«, sagte Eva. »Henry
zieht seinen Schlafanzug nie aus, und bei mir ist das Nachthemd im Wege.« -
Tom Sharpe, Puppenmord. München 2004 (Süddeutsche Zeitung Kriminalbibliothek
26)
Brustwarzen (6)
Brustwarze (7)