Brüstetheorie    «Welche Brust hat Pepe eigentlich lieber, Ellita?» fragte Hoke. «Die linke oder die rechte?»

«Was ist das für eine Frage? Meistens nimmt er erst die linke, aber das kommt, weil ich ihn so halte. Irgendwelche Vorlieben hat er nicht.»

«Melanie Klein sieht das anders», erklärte Hoke. «Als du am Miami-Dade-College deine Psychologie-Seminare absolviert hast, habt ihr da nicht über Dr. Kleins Theorien über Babys geredet?»

«Ich glaube nicht. Melanie Klein?»

«Dr. Klein. Sie war Kinderpsychologin, wie Anna Freud - eine der ersten, die Kinder analysiert hat. Sie behauptete, Babys entwickelten eine Liebe-Haß-Beziehung zu Brüsten. Zuerst sind die Brüste gut, alle beide. Wenn die Säuglinge dann entwöhnt werden - irgendwann in den ersten zwei Lebensjahren, sagen wir mal - und wenn die Brüste ihnen versagt werden, dann werden sie böse, weil sie ein Quell der Frustration sind. Daß sie ihnen versagt werden, bedeutet, daß sie schlechte Objekte sind, keine guten, und sie sehen die Brüste getrennt von ihren Müttern. Die Mütter müssen dann dafür sorgen, daß sie die Mutter wieder als ganze Person sehen - nicht als eine Frau, an der zwei Objekte hängen, die man lieben oder hassen kann.»

«Und was ist mit der guten und der schlechten Brust?»

Hoke überlegte kurz, aber er konnte sieb nicht mehr erinnern. Sein gesamter Wissensschatz über Dr. Melanie Klein beschränkte sich auf die Rezension ihrer Biographie, die er im New York Times Book Review gelesen hatte. Die Zeitung hatte auf dem Männerklo im vierten Stock des Polizeireviers gelegen. Er hatte die Rezension gelesen, während er auf dem Klo gesessen hatte, und er wußte noch, daß er Dr. Rleins Theorien damals ziemlich drollig gefunden hatte.   - Charles Willeford, Bis uns der Tod verbindet. Reinbek bei Hamburg 1996

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