rühe CERONETTI
Brühe! Geheimnisvolles Wort, in dem alles ist, denn alles ist Brühe und alles
ist immer dieselbe Brühe! Wir wollen einmal sehen: wie macht man eine richtige
Brühe? Mich schaudert, wenn ich Brühe sage; vielleicht erschreckt mich, daß
sie alles sein kann, Brühe und anderes. Doch habe ich an kühlen und düsteren
Tagen ein leichtes Brühlein sehr geschätzt und habe mir in namhaften Kasernen
und Konvikten trübes Gebrüh zu Gemüte geführt. Aus Liebe zur Sprache meide
ich das Adjektiv brühisch, und vor einer abgebrühten Freundin bewahre mich der
Himmel. Kein Politiker, der es nicht verstünde, aus allem eine dünne Brühe zu
machen und kein Schriftsteller, mag er noch so auf der Hut sein, der sich nicht
an dem einen oder anderen Thema die Finger verbrühte. Gewiß ist es zuweilen
vergnüglich, brühig zu schreiben, doch ist dies eine Verfehlung, die man teuer
bezahlt. Und die Kulturbrühe, welche Plage! Doch genug, wir machen Brühe aus
allem. - Guido Ceronetti, Liebe deine Brühe wie dich selbst - Pellegrino
Artusi. In: Unmögliche Interviews. Berlin 1996
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