Bruder, toter   Am qualvollsten ist mir die Traumerscheinung meines ältesten, sehr geliebten Bruders, der während des Krieges im zweiundvierzigsten Jahr starb, ein Mensch von kühnster Aufrichtigkeit und Ungeniertheit. Oder eigentlich ist er es selbst gar nicht, der mir erscheint — das ist das Grausige. Mit allen kleinsten, mir so vertrauten lieben Eigentümlichkeiten ausgestattet, kommt er immer gerade von der Reise — mein Bruder war geschäftlich viel auf Reisen gewesen — lebensvoll und wirklich ist er da, spricht, ißt, plauscht, so daß ich mich innerlich schäme, ihn für tot gehalten zu haben. Und doch taucht ein Mißtrauen auf, erst zaghaft, meine Liebe will es nicht aufkommen lassen, aber es wird immer mächtiger, die Erscheinung wird immer übertriebener, falsche komödiantische Züge mischen sich ein, sie wird zur Fratze meines Bruders. Bis ich mit letzter, todesbereiter Verzweiflung ihn packe und anfahre: er sei es ja gar nicht! Und siehe da — ein angstschlotternder Schwindler, Hochstapler gesteht, daß er den ihm von Geschäftsreisen Wohlvertrauten nur kopiert habe, um irgendwelche Vorteile von mir zu erlangen.   - Oskar Baum, nach (je)

Bruder Tote


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