ruch  Der Sohn findet es natürlich, daß der Vater vor ihm stirbt. Die Pflicht gebietet ihm, an sein Sterbelager zu eilen, ihm die Augen zuzudrücken und ihn zu Grabe zu tragen. Während dieser Vorgänge, die über Tage ausgebreitet sind, liegt der eigene Vater tot vor ihm da. Der ihm befehlen konnte wie kaum ein Mensch ist verstummt. Hilflos muß er sich alle Hantierungen an seinem Leib gefallen lassen, und der Sohn, der einst während vieler Jahre am meisten in seiner Gewalt war, ordnet sie an.

Die Genugtuung am Überleben ist selbst hier vorhanden. Sie ergibt sich aus dem Verhältnis der beiden, von denen der eine während vieler Jahre selber schwach und hilflos und ganz in der Gewalt des anderen war, und dieser, der ehemals Allmächtige ist es, der nun gestürzt und ausgelöscht ist, und jener verfügt über seine leblosen Reste.

Alles, was der Vater hinterläßt, stärkt den Sohn. Die Erbschaft ist seine Beute. Er kann damit alles anders tun, als der Vater es getan hätte. War dieser sparsam, so kann der Sohn ein Verschwender, war er klug, so kann der Sohn kopflos sein. Es ist wie ein neues Gesetz, dessen Gültigkeit nun erklärt wird. Der Bruch ist gewaltig, er ist irreparabel. Durch Überleben ist er zustande gekommen; es ist die persönlichste und intimste Form davon.   - (cane)

Bruch (2)  Ich nickte Max zu. Ich sah im Morgenlicht seinen Fuß zucken, und ich hörte das Knacken - nun hatte der Freak nur noch einen Schenkelknochen, der von oben bis unten durchging. Sein Gesicht wurde leichenblaß, und Erbrochenes drang aus seinem Mund, aber er bewegte keinmal die Hände. Sogar Schleim kann lernen. »Jedesmal, wenn du aufrecht zu gehen versuchst, Mark, will ich, daß du dran denkst, wieviel Spaß du heute morgen im Park gehabt hast, okay?« fragte ich ihn.

Das Gesicht des Freaks war vor Schmerz verzerrt, seine Lippen bluteten, wo er auf sie gebissen hatte. »Ja!« stieß er hervor.

»Und jedesmal, wenn du eine Nummer wählen willst, Mark, will ich, daß du an heute denkst - wirst du das?«

»Ja, ja!« flennte er wieder. Max langte rüber und nahm eine seiner Hände sacht von dem Baumstumpf. Ein rasches Drehen hinter dem Rücken des Freaks, ein weiteres lautes Schnappen, und der Arm war nutzlos. Man nennt es eine Spiralfraktur - die Ärzte würden sie nie ganz richten können. Der Freak hatte seinen Mund weit geöffnet, bereit zu einem verzweifelten Schrei, als er die Pistole fünf Zentimeter vor seinem Gesicht sah. Der Schrei erstarb - er wollte das nicht.   - Andrew Vachss, Strega. Frankfurt am Main und Berlin 1994

Ende Zerfall Zerstörung

 

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