Nach dem Krieg wurde er wegen angeblicher Sympathien für die Kommunisten vor den Kongreßausschuß für unamerikanische Umtriebe zitiert. Andere, gleichfalls vorgeladene Autoren planten, mit entschiedenem Auftreten die Unrechtmäßigkeit des Verfahrens zu demonstrieren.
Brecht war klüger: Er spielte mit dem Ausschuß wie
auf einer Geige; schmeichelte seinen Mitgliedern und verhöhnte
sie zugleich. Sorgfältig studierte er seine Antworten ein, und
er bediente sich auch einiger Requisiten, vor allem der geliebten
Zigarre, denn er wußte, daß der Ausschuß-Vorsitzende ebenfalls
gern Zigarren rauchte. Und tatsächlich gelang es ihm, den Ausschuß
mit wohlbedachten, mehrdeutigen, witzigen und doppelbödigen Antworten
hinters Licht zu führen. Statt eine wütende, von Herzen kommende
Tirade zu halten, umgarnte er die Ausschußmitglieder
mit einer bühnenreifen Inszenierung, und sie ließen ihn ungeschoren
davonkommen. - (macht
)
Brecht (2) Seit Brecht: Es ist natürlich
nützlich, daß es das »Geraune« nicht mehr gibt. Aber auch der
starke Ton und das Gedröhn sind seitdem weg aus der Literatur
(aus der menschlichen Schrift) (ich meine nicht die Mythelei
so vieler südamerikanischer Romane; »Mythelei« im Sinn von »Rederei«,
»Liebelei«, »Rätselei«, »Erzählerei«) - (
bleist
)
Brecht (3) Er kleidete sich persönlich. Wie ein Mann, der viel mit Maschinen zu tun hat oder mit der Ölkanne unter Autos liegt, trug er stets eine dünne Lederkrawatte — ohne Fettflecke natürlich. Im Gegensatz zu anderen Westen ließ er sich welche mit Tuchärmeln anfertigen; im Schnitt seiner Kleidung betonte er etwas amerikanisch Sackartiges, wenn ich so sagen darf, mit wattierten Schultern und keilförmigen Hosen. (Richtige Amerikaner gingen natürlich längst nicht mehr in solcher Tracht. Nur in Deutschland wirkte sie amerikanisch.) Er trug nie einen Hut, meist eine Ledermütze und bei kühlem Wetter eine Lederjoppe. Ohne das mönchartige Gesicht mit dem in die Stirn gekämmten Haar hätte er ausgesehen wie ein Chauffeur mit einem Schuß russischen Volkskommissars.
Brecht war ein glänzender Autofahrer, einer der schnellsten und unvorsichtigsten
meiner Bekanntschaft. In Langeland in Dänemark, wo ich ihn in den Dreißigerjahren
besuchte, fuhr er ein uraltes Fordmodell, das man noch ankurbeln mußte, worauf
es, wenn es überhaupt ansprang, heftig zu zittern
anfing. Aber dem Brecht war es völlig untertan und gehorchte ihm trotz Altersschwäche.
- George Grosz, Ein kleines Ja und ein
großes Nein. Sein Leben von ihm selbst erzählt. Reinbek bei Hamburg 1986, zuerst
1955
Brecht (4) Bertolt Brecht hat vor einem Bretterverschlag,
einer Art Unterstellhütte an einer Straßenbahnhaltestelle, weit draußen vor
der Stadt in einer Allee mit einer Pistole einen Mann erschossen. Der Erschossene
scheint ein Arbeiter zu sein, ist in Motorradkluft. Ich komme näher und sehe
ihn aus zwei Wunden blutend sterben. Ich verstehe nicht, wie Brecht, der immer
Menschlichkeit predigt, so etwas tun, einen Mord begehen konnte, noch dazu ganz
unmotiviert und ausgerechnet an einem Arbeiter, einem Proletarier. Ich halte
ihm das vor, frage ihn. Er sagt, er hätte den Falschen getroffen. »Der Richtige
stand einen halben Meter daneben.«
- Wolfgang Bächler, Traumprotokolle. München 1972
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