recher  Drei gigantische Brecher, von denen jeder folgende immer zehnfach schwerer und stärker zu sein schien als der vorangegangene, wüteten mit donnerndem Gebrüll, als wollten sie die ganze Erde verschlingen, gegen die Empress.

Das tobende Gebrüll der Brecher und der nachziehenden Brandungswogen war ein drohendes Wutgeheul gegen die Empress, die es wagte, ihnen auf diesem Riff so lange Trotz zu bieten.

Der dritte Brecher brachte die steil hochgeworfene Empress zum Schwanken. Aber sie stand. Doch wir beide hatten es im Gefühl, sie ist los, sie steht nicht mehr fest wie ein Turm.

Die Brecher ebbten ab, um auszuholen für die nächsten drei.

Der tosende Sturm jagte die schweren Wolken gleich Fetzen am Nachthimmel dahin. Zuweilen auch öffnete sich ein Loch in diesem schweren Wolkentoben, und man erblickte für einige Sekunden ein paar klare glänzende Sterne, die in diesem schwarzen, heulenden, brüllenden, tobenden und brandenden Aufruhr empörter Elemente herunterriefen: «Wir sind Friede und Ruhe für dich, für uns aber sind wir umlodert von den Flammen des Schöpfens, des Gebarens und der Rastlosigkeit. Fliehe nicht zu den Sternen, wenn du Ruhe suchst und Frieden. Was du nicht in dir trägst, wir können es dir nicht geben!»

«Stanislaw!» schrie ich laut, obgleich er doch an meiner Seite saß. «Die Brecher kommen zurück, jetzt gilt's. Die Empress fegt ab.» Ich sah den ersten Brecher in dem schwachen Sternenlicht herankommen wie ein unmeßbar riesenhaftes schwarzes Ungetüm.

Es peitschte turmhoch und peitschte mit seinen nassen Tatzen über uns hinweg.

Wir hatten gut festgehalten, aber die Empress hob sich und wand sich in den Krallen des Riffs, als ob sie schwere Schmerzen erdulde.

Der zweite Brecher kam auf, nahm uns den Atem weg für eine lange Zeit, und ich hatte das Empfinden, ich sei ins Meer geschleudert. Aber ich saß noch fest.

Die Empress jedoch kreischte, als ob sie zu Tode verwundet würde. Sie drehte sich noch weiter herum in ihrem Schmerz und schwankte im Stern zurück, krachend, polternd und dröhnend, bis sie nicht mehr steil stand, sondern schräg. Außerdem legte sie sich auch noch nach Steuerbord über.

Mittschiff war durch die Brecher jetzt so voll Wasser gelaufen, daß alles verdorben sein mußte, was nicht in Büchsen eingelötet war. Aber was in Mittschiff vor sich ging, fühlte sich in mir nur wie ein ganz ferner dünner Gedanke.

«Stanislaw, Junge!» brüllte ich.

Ob er ebenfalls gebrüllt hatte, weiß ich nicht. Sicher hatte auch er es getan. Aber zu hören war ja nichts.

Der dritte Brecher, der schwerste dieses Zuges, stürmte heran. Die Empress war bereits verschieden, als wäre sie vor Schreck gestorben. Der Brecher, obgleich er mit donnerndem Branden herangejagt kam, nahm den Leichnam der Kaiserin von Madagaskar leicht auf, wie eine leere Seidenhülle. Er tat es trotz seines rauhen Tobens kosend und streichelnd. Er hob den Leichnam hoch, drehte ihn der ganzen Länge nach in einem Halbkreis herum, und ohne ihn noch einmal auf den Fels krachen zu lassen und sich an dem Brechen der Knochen zu erfreuen, legte er ihn sanft und zärtlich auf die Seite.

«Spring weg und schwimm, Pippip, sonst kommen wir in den Schlucker», rief Stanislaw.

Schwimm mal, wenn du eben eins über die Arme gekriegt hast von einem herumpfeifenden Lademast, oder was es sein mochte. Aber ob ich schwimmen konnte oder nicht wollte, kam gar nicht in Frage. Der Nachzieher des letzten Brechers hatte mich abgeschwemmt, weit genug, um nicht vom Schlucker gefaßt zu werden. Ein paar Minuten würde die Empress ja noch machen, ehe sie endgültig wegschluckt und strudelt.  - B. Traven, Das Totenschiff. Reinbek b. Hamburg 1963 (rororo 126, zuerst 1929)

 

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